Auch ein Kalbsrücken
kann entzücken.

Holiday statt Veggie-Day. Und jede Menge Musik für laue Sommerabende.

In den vergangenen Wochen habe ich mich zwar wie immer genussvoll, aber äußerst preiswert ernährt. Meist gab es sommerlich-leichte Snacks wie Bruschetta, Bulgur-Salat oder zitronig-tomatige Spaghetti. Einfache, fleischlose Alltagsküche, die mit guten Zutaten zu Höchstform aufläuft. Die einfach zu bewältigen ist und weniger kostet, als die Billig-Menüs bei den Fastfood-Ketten.

Doch jetzt muss einmal richtig gefeiert werden. Das Schuljahr ist zu Ende und die großen Ferien haben begonnen. Damit beginnt für die Kinder die schönste Zeit des Jahres. Wir Erwachsenen erklären uns solidarisch und kochen groß auf. Pfeifen zwischendurch auf politisch korrekte Ernährung, machen aus dem Veggie-Day einen Holiday und braten uns einen festlichen Kalbsbraten. Den servierte ich übrigens auch beim Jubiläums-Abendessen anlässlich „1 Jahr Probelokal“ den zufällig ausgelosten Festgästen.

Schon zu Beginn ein Blick auf das Endergebnis. Die Arbeit lohnt sich!

Wenn schon, denn schon: Ich bitte den Metzger meines Vertrauens um ein edles Stück vom Kalb. Das ist nicht umsonst. Damit so ein zarter Rücken entzücken kann, muss ich ein paar Scheine hinlegen. Vielleicht habe ich mit meinem Kauf dem jungen Tier einen stressigen Kälbertransport erspart und den Weg zur Schlachtbank verkürzt.

Übrigens: Ich bin mir der Gefahr wütender Reaktionen dieser Menüwahl durchaus bewusst. Erst kürzlich habe ich im „Standard“ gelesen, dass Hasspostings im Netz besonders gerne von politisch Rechten oder von radikalen Tierschützern stammen. Na bravo – immer diese Ideologien. Bitte locker bleiben!

Sommerabendmusik
Bevor die Kochschürze umgebunden wird, sorge ich im Probelokal für die richtige Musik. Dazu wird wie alle Jahre um diese Zeit die Sommerabend-Liste aktiviert. Der Zufallsmodus haut mir einen entspannten Hit nach dem anderen um die Ohren. Herrlich. Den Anfang macht das wunderbare „Flores Y Tamales“ von Calexico. Weitere Kostproben streue ich im Laufe der Zubereitung ein. So entsteht am Ende ein „Best Of“ für Sommerabende à la Probelokal.

Ein paar Stunden vor dem feierlichen Essen mariniere ich das edle Stück Fleisch. Dazu verrühre ich in einer Schüssel ein wenig Senf, einen Schuss Olivenöl, die in Scheiben geschnittene Knoblauchzehe, gehackte Gartenkräuter und ein paar grob gemörserte Pfefferkörner. Dann decke ich die Schüssel zu und lasse das marinierte Fleisch rasten. Und zwar bei Zimmertemperatur, denn beim Anbraten soll das Fleisch zimmerwarm sein.

In der Zwischenzeit erledige ich die Vorarbeiten für die Beilage. Während Josh Ritter den Song „Southern Pacifica“ intoniert, schnappe ich mir aus der schier unendlichen Fülle an saisonalem Gemüse das, was mich anlacht. Dazu zählen in jedem Fall junge Kartoffeln, Champignons, Paprika und Radieschen. Beim Jubiläums-Essen im Juni gab es noch Mairüben und grünen Spargel, letzterer ist über Nacht aus den Supermärkten verschwunden. Ein knallhartes Ende der Saison.

Gemüse-Happening
Die Kartoffeln koche ich in der Schale in Salzwasser eine halbe Stunde lang weich, am besten sogar schon am Vortag, damit sie gut auskühlen. Dann werden sie geschält und halbiert. Während ich halbe Sachen mache, wippe ich unweigerlich zu „Get Lucky“ von Daft Punk, das inzwischen den Status eines fröhlichen Musik-Klassikers eingenommen hat.

Dabei bitte ich Sie, die Version anzusehen, die eine französische Militärkapelle anlässlich des Staatsbesuchs von Donald Trump in Paris gespielt hat – schauen Sie ca. ab der Minute 2,50 in die Gesichter der Staatsmänner. Schwungvoll wird unterdessen das weitere Gemüse geputzt und in mundgerechte Happen geschnitten. So etwas nennt man wohl Happening.

Es geht los! Der Kalbsbraten landet in der Pfanne.

Ran an den Braten
Nun zur Königsdisziplin – zur Zubereitung des festlichen Bratens. In den feinen Restaurants nennen Sie den dafür zuständigen Koch „Rôtisseur“. Ich rotiere auch schon. Denn bei der Zubereitung feiner Fleischstücke erstarre ich stets vor Respekt. Zu oft schon wurden mir die Braten zäh. Heute muss er einfach gelingen. Schließlich sollte daraus diese Geschichte entstehen.

Ein paar Stunden, bevor die Gäste Platz nehmen, schalte ich den Backofen ein. Es genügen 70 Grad Umluft. Auf dem Herd erhitze ich eine Bratpfanne, gieße etwas Öl ein und brate den Kalbsrücken rundum an. Wie das duftet! Nun setze ich das leicht gebräunte Fleisch in eine ofenfeste Form. Dann verabschiede ich mich vom Kalb, denn ich sehe es für ein paar Stunden nicht mehr. Bei dieser niedrigen Ofentemperatur zieht das Fleisch nun langsam vor sich hin.

Mit einem Braten-Thermometer, dessen Anschaffung sich für diese Art von Zubereitung empfiehlt, messen Sie nach einer Weile einfach die Kerntemperatur. Sind in der Mitte des Bratens nach einigen Stunden 60 Grad erreicht, reduzieren Sie die Ofentemperatur auf 50 Grad Umluft und lassen das Fleisch ziehen. Da kann gar nichts passieren, selbst wenn Ihre Gäste eine Stunde Verspätung haben. Das Fleisch bleibt butterzart. So einfach ist das! Dennoch sollte man einen Kalbsrücken niemals auf die leichte Schulter nehmen.

Startklar für die Sauce
Sie merken: Es läuft! Und wenn ich schon in Fahrt komme, passt es gut, dass der Zufallsgenerator hintereinander zwei Songs einspielt, die den kalifornischen Sommer besingen – „Santa Cruz“ von The Thrills und das Cover „Ventura Highway“ der wunderbaren schwedischen Sängerin Ida Sand. Meine Sommer-Playlist lässt mich gedanklich entlang der Westküste cruisen. Gekrönt wird die Fahrt noch vom Titel „Seaside“ von The Kooks.

Ich bin startklar für die Sauce. In die Pfanne, in der ich zuvor den Kalbsrücken angebraten habe, streue ich die gehackte Zwiebel. Dann lösche ich mit einem Schluck Rotwein ab und gebe nach und nach den Rest des Weins dazu, der sich großteils in Luft auflöst. Doch die Geschmacksstoffe bleiben erhalten.

Wenn der Rahm die Sauce verfeinert, entstehen interessante Farbspiele.

Dann kommt der Fond in die Pfanne. Bei mittlerer Temperatur kocht die Mischung etwas ein, bevor sich auch der Rahm dazu gesellt. Die immer feiner werdende Mischung wird mit dem Pürierstab in einem hohen Gefäß fein gemixt. Ich gieße die Sauce durch ein Sieb zurück in die Pfanne, schmecke mit Salz, Pfeffer, etwas Zitronensaft und Butter ab und lasse sie bei niedriger Temperatur ziehen, bis das Fleisch gar ist.

Fröhliches Gemüse-Braten
In einer beschichteten Pfanne wird nun nach und nach das Gemüse zubereitet. Ich beginne mit den Paprikastücken, die in einem Schuss Rapsöl scharf anbrate, bis sie leicht gebräunt und weich sind. Dann rastet die Paprika in einer Schüssel, während den Champignons dasselbe widerfährt.

Das gebratene Gemüse vereint sich kurz vor dem Servieren in der Pfanne. Hier schummelten sich noch ein paar Spargelspitzen dazu.

Es läuft gerade der Titel „Shadow On The Wall“ von Ruby Amanfu, die einen Titel von Folkrock-Ikone Brandi Carlile covert, als die Radieschen in die Pfanne wandern und vorgebraten werden. Und schließlich noch die halbierten Kartoffeln, die bei mittlerer Temperatur ganz langsam vor sich hinbrutzeln, bis sie leicht gebräunt und knusprig sind. Kurz vor dem Servieren mische ich das gesamte, vorgebratene Gemüse in der Pfanne, würze mit Kräutern, Salz und Pfeffer und schmecke mit ein paar Tropfen Zitronensaft und einem Schuss feinem Olivenöl ab.

In einer Pfanne erhitze ich ein Stück Butter, gerne noch mit einem Stück Knoblauch und einem Zweig Rosmarin. Der Kalbsrücken verlässt den Ofen und darf sich am Ende seiner stundenlangen, zarten Zubereitung noch kurz in der aufgeschäumten Butter suhlen. Das riecht so, wie sich der Song „Water Under Bridges“ anhört, wenn ihn die Wahnsinns-Stimmen von Gregory Porter und Laura Mvula intonieren.

Der Kalbsbraten lässt sich schneiden wie Butter. Nur schmeckt er besser.

Es ist angerichtet
Auf dem Herd stehen nun drei Töpfe: Die Pfanne mit dem Fleisch, das Töpfchen mit der Sauce und die beschichtete Pfanne mit dem Gemüse. Das Fleisch wird nun schräg in Scheiben geschnitten und mit der Sauce und dem Gemüse angerichtet. Das luxuriöse Gericht schmeckt auch den Kindern, selbst wenn ihnen bewusst ist, dass sie da gerade den Rücken eines jungen Tieres verspeisen. Zum Essen läuft „Shape Of My Heart“ von Sting, das der Meister an einem toskanischen Sommerabend eingespielt hat. Allein die Lichterketten in den Bäumen sind einen Blick ins Video wert.

Wenn nach dem Abendessen Kind und Kegel im Bett sind, einzelne Wolken am Himmel vorbeiziehen und die Fledermäuse die Dämmerung durchkreuzen, sorgt eine Kombination aus einem eiskalten Cuba Libre und sommernächtlicher Musik für den richtigen Digestif. Was könnte diese Momente schöner untermalen, als „Virginia Moon“, einem Bossa-Duett von Dave Grohl und seinen Foo Fighters mit Norah Jones, gefolgt von „Protection“ von Massive Attack, das von Gastsängerin Tracey Thorn (Everything But The Girl) gesungen wird. Und dann, kurz vor Mitternacht, das unfassbar schöne „Surrender“ von The Antlers. Man muss zu Bett gehen, wenn es am schönsten ist.

Eines würde mich noch interessieren: Was sind Ihre musikalischen Empfehlungen für den lauen Sommerabend? Bitte schreiben Sie mir das. Oder am besten öffentlich einsehbar als Kommentar. Dann haben auch die anderen Leser/innen etwas davon.

Zutaten für einen pompösen Hauptgang für vier hungrige Personen:
Fleisch: 1 kg Kalbsrücken, 1-2 Knoblauchzehen, Rosmarin und Thymian, Olivenöl, 1 Esslöffel Senf, Pfefferkörner, Salz, 1 Esslöffel Butter
Sauce: 1 kl. Zwiebel, 200 Milliliter Rotwein, 300 Milliliter Kalbsfond oder Rindssuppe, 100 Milliliter Rahm, Pfeffer und Salz, etwas Butter und Zitronensaft
Sommergemüse: 500 Gramm Kartoffeln, ein Bund Radieschen, 2 rote Paprika, 500 Gramm Champignons, Olivenöl, Kräuter (Oregano, Rosmarin, Thymian,…), Salz und Pfeffer

Musik: siehe Titel und Links im obigen Text

Post Author: Dan

One Reply to “Kalbsbraten mit Sommergemüse”

  1. Hallo Daniel,
    zu diesem sehr feinen Essen würde ich mir als Begleitmusik ein Lied aus der „schönen Müllerin“
    von Franz Schubert gönnen .
    Liebe Grüsse: Anton

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