Freude schöner Spargelspitzen.
The Beatles oder die Rolling Stones? Der FC Bayern oder der FC St. Pauli? Europa oder Nationalismus? Es gibt Zeiten, da muss man sich entscheiden, auf welcher Seite man steht. Genauso ist es beim Spargel. Grün oder weiß? Im Probelokal ist das sonnenklar: Grüner Spargel ist der Beste. Vor allem, wenn Tom Smith von den Editors dazu singt.
Grüner Spargel schmeckt nach Frühling. Knackig und frisch, nicht so faserig und glitschig wie sein allerorts über die Maßen gelobter weiße Kollege. Und der grüne Spargel muss nicht geschält werden. Vor der Zubereitung breche ich nur das untere Viertel an der Sollbruchstelle ab – das Knacken macht Spaß. Dann wasche ich die grünen Stangen und trockne sie ab. Heute habe ich große Lust auf eine große Portion Spargel, den ich mit hocharomatischem Schinkenspeck umwickle.
Dazu heize ich den Ofen auf 200 Grad Umluft vor. Jede vorbereitete Spargelstange wird nun mit einer dünnen Scheibe Schinkenspeck umwickelt. Achten Sie wie immer auf die Herkunft des Fleisches – nur, weil die Verpackung eine heile Tiroler Welt vorgaukelt, musste das gute Ferkel noch lange kein Kind der Alpen sein.
Gequälter Speck muss weg!
Die Wahrscheinlichkeit, dass es mit dem Lastwagen quer durch die Lande gekarrt wurde, nachdem es in einer Mastfarm mit kupiertem Ringelschwanz unter tausenden Leidensgenossen vor sich hin vegetierte, ist sogar hoch. Gehen Sie auf Nummer sicher: Der Bauer Ihres Vertrauens, oder zumindest der Bioladen um die Ecke, wird Ihnen hoffentlich nicht ins Gesicht lügen. Kaufen Sie Ihren Schinkenspeck dort, auch wenn er teurer ist!
Dann legen Sie die umwickelten Spargelstangen auf ein Blech, das Sie zuvor mit Backpapier ausgelegt haben. Gießen Sie ein wenig Olivenöl über die Stangen und befördern Sie das Blech in den Ofen. Nach rund 10 Minuten können Sie die Spargel-Speck-Stangen heraus holen und in eine Schale legen.
Darüber gehören ein paar Spritzer frischer Zitronensaft und ein kräftiger Schuss Olivenöl. Und noch Meersalz sowie etwas Pfeffer. Mehr braucht es nicht zur Glückseligkeit. Vielleicht noch frisches Brot zum Austunken, denn kein Tropfen der feinen Mischkulanz aus Olivenöl, Zitronen- und Spargelsaft darf am Teller zurück bleiben.
Schnitzel-Verordnung
Eine große Portion grüner Spargel nimmt wenigstens für ein paar Augenblicke den Ärger über den grassierenden Europa-Wahlkampf. Er hat den Höhepunkt erreicht, nachdem Österreichs Kanzler kürzlich ins Geschehen eingestiegen ist. Um ein paar Wählerstimmen zu mobilisieren, griff er tief in den Populismus-Topf, fand dort die alte, rechte Mär vom Regulierungswahn der EU, rührte kräftig um und zog doch allen Ernstes die Aussage hervor, dass kein Mensch EU-Vorgaben für die Zubereitung von Schnitzel und Pommes brauche. Das sitzt natürlich – zumindest in manchen Festzelten und auf den Titelseiten kleinformatiger Zeitungen. Und es zeigt, wie die Berater des Kanzlers sein Publikum einschätzen.
Dabei geht diese Geschichte auf einen April-Scherz der Tageszeitung „Die Presse“ zurück, die am 1. April 2015 berichtete, dass der Schnitzel-Panier wegen einer EU-Regelung das Aus drohe. Die Zeitung wollte nach eigenen Angaben damals aufzeigen, wie leicht es ist, der EU die Schuld für alles Mögliche in die Schuhe zu schieben. Die Aufregung bei den vermeintlichen Verteidigern der Heimat war damals schon groß, auch wenn der Scherz bereits am Folgetag aufgelöst wurde.
Übrigens beschloss die EU vor zwei Jahren tatsächlich etwas Vergleichbares: Und zwar die Reduktion von Acrylamid, einem krebserregenden Stoff, der entsteht, wenn stärkehaltige Lebensmittel wie etwa Kartoffeln bei über 175 Grad frittiert werden – etwa bei der Zubereitung von Pommes Frites.
Aber vielleicht sind Regelungen dieser Art ja gar nicht so sinnlos. So wie der schon lang anhaltende Frieden in Europa, die Menschenrechte oder die gemeinsame Ökonomie. Was ist damit, Herr Kanzler? Ich frage mich, wie Othmar Karas, ein überzeugter österreichischer Europäer, das alles aushält. Bei dieser Schützenhilfe aus der Schnitzelpfanne tut mir der erfrischend untürkise Konservative mit Format fast leid.
Am 26. Mai wird das Europäische Parlament gewählt. Wir werden sehen, ob sich der Höhenflug der rechten Schreihälse aus Ungarn, Italien oder Österreich fortsetzt, unterstützt von russischen Bots und amerikanischen Bannons. Oder ob bald wieder die aufgeklärte, liberale, meinetwegen auch gemäßigt konservative Gesellschaft die Deutungshoheit bekommt. Im Probelokal hoffen wir darauf und essen bis dahin jede Menge umwickelten Spargel.
Tom Smith und ich singen Papillon
Bei so vielen Sparglamenten hätte ich fast den Musiktipp unterschlagen. Derzeit höre ich immer wieder die britische Indie-Rock-Band „The Editors“. Und ständig summe ich das Lied „Papillon“ vor mich hin. Es ist schon zehn Jahre alt, kommt mir aber immer wieder in den Sinn. Ich ertappte mich heute sogar, als ich im Rhythmus dieses Ohrwurmes über die Straße marschierte. Wenn Sie sich das Video ansehen, wissen Sie vielleicht, warum. Sehr stark, dieser Bariton von Tom Smith! Auch in der akustischen Version.
Zutaten für 1 hungrige oder 2 „normale“ Esser:
500 Gramm – meist ein Bund – grüner Spargel, dünne Scheiben Schinkenspeck (1 Scheibe pro Spargelstange), Olivenöl, Saft einer halben Zitrone, Salz und Pfeffer, frisches Brot zum Tunken
Musiktipp:
Album „In This Light and on This Evening“ von The Editors aus dem Jahr 2010, Label Kitchenware Records, www.editors-official.com
Danke für das tolle Rezept zum Ofenspargel mit Speck. Mein Bruder isst sehr gerne Speck und lässt diesen auch mal online bestellen. Ich werde ihm dieses Rezept für seine Sammlung schicken. Gut zu wissen, dass der grüne Spargel nicht geschält werden muss und nur die Bruchstelle abgeschnitten wird.