Eine frühsommerliche Geschmacks-Explosion.
Kürzlich wurde das einjährige Jubiläum dieser Seite gefeiert. Und zwar mit einem viergängigen Menü, das ich Ihnen in diesen frühsommerlichen Wochen häppchenweise vorstelle. Den Gruß aus der Küche überbrachte ein launiger Saibling mit seinen aromareichen Freunden: Dem sauren Spargel und der runzligen Tomate.
Als vor wenigen Wochen mit sechs zufällig ausgewählten Stammleser/innen der Geburtstag der Seite probelokal.com gefeiert wurde, gab es eine frühsommerliche Vorspeise. Ich servierte ein kleines Stück gebratenen Saibling, einen Fisch, der der Familie der Lachse zuzurechnen ist und sich Zeit seines Lebens im klaren Süßwasser pudelwohl fühlt. Nach seinem Lebensende kam er im Probelokal auf einer zitronigen Spargel-Salsa zur Ruhe, sorgfältig gebettet neben ofengetrockneten Kirschtomaten und einer Scheibe Krenmousse.
Da ich mich beim Jubiläum um die Gäste kümmerte, kam das Fotografieren zu kurz. Um Ihnen die standesgemäßen Fotos liefern zu können, kochte ich jeden Gang nochmals nach. Dabei habe ich die Rezepte weiterentwickelt. Denn sie waren noch nicht ausgereift. Probieren geht ja über Studieren.
So lasse ich heute das Krenmousse weg. Kren gehört einfach in den Herbst, wie Kastanien, Neuwahlen und das Gehen mit meiner Laterne. Und bei Mousse denke ich ohnedies lieber an Desserts. Auch beim Fisch gibt es eine Adaption. Denn ich will den Saibling nicht unnötig mit der Hitze am Herd quälen. Stattdessen confiere ich ihn bei niedriger Temperatur im Rohr. Aber dazu später. Zuerst bereite ich das Gemüse vor, denn es braucht Zeit, bis es den optimalen Geschmack entfaltet.
Runzel-Tomaten sind Aroma-Bomben
Die Kirschtomaten wasche ich, dann setze ich sie auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech. Sie können den grünen Tomatenstiel aus dekorativen Gründen belassen. Darüber streue ich die gehackten Knoblauchzehen, den Rosmarin ein paar Prisen grobes Meersalz und grob geschroteten schwarzen Pfeffer. Dann beträufle ich die Mischung mit Olivenöl, während ich den Herd auf 80 Grad Umluft vorheize.
Dann braucht es Zeit: Die Tomaten bleiben rund drei Stunden im Ofen, bis sie richtig runzlig werden. Die zarte Hitze entlockt den Früchten ein sehr intensives Aroma. Ich schmore mir immer die doppelte Portion Tomaten, damit es sich rentiert, wenn ich den Ofen schon für so lange Zeit einschalte. Einen Teil hebe ich mit einem Schuss Balsamico oder Zitronensaft unter frisch gekochte Spaghetti – ein unfassbar gutes und einfaches Pastagericht für laue Sommerabende.
Auch der Spargel braucht eine Weile. Ich schäle ein kleines Bund, schneide die holzigen Enden ab und koche die Stangen in leicht gezuckertem und gesalzenem Wasser zehn Minuten weich. In der Zwischenzeit bereite ich aus den Gewürzen, dem Zitronensaft und dem Olivenöl eine kräftige, etwas säuerliche Marinade zu. Sind die Spargelstangen gar, hebe ich sie aus dem Wasser, lasse sie kurz auskühlen und schneide sie schräg in zentimeterdicke Stücke. Sie kommen noch lauwarm zur Marinade, um als zitronige Spargel-Salsa kräftig durchzuziehen.
Balkan-Folk aus New Mexico
Bevor zur Krönung der Saibling zubereitet wird, schalte ich mir die richtige Musik ein. Mit großem Vergnügen hörte ich wieder einmal das Debüt-Album von „Beirut“. So nennt sich die Band des jungen US-Amerikaners Zach Condon. Auf seiner Europareise ließ er sich in den Nullerjahren von Folklore-Musik vom Balkan begeistern.
Zurück in New Mexico schrieb er das beeindruckende Album „Gulag Orkestar“. Der Sound bläst kraftvoll um die Ohren, vor allem wenn die Balkan-Musikanten einsetzen, wie etwa im Titel „Elephant Gun“ oder bei „Postcards From Italy“. Geschmacks-Explosionen gibt es heute nicht nur für den Gaumen. Auch für die Ohren.
Nun kommt die Krönung
Anstatt den Fisch in der Pfanne anzubraten, will ich ihn zu dieser fetten Musik stilgerecht in Öl confieren. So nennt man das langsame Schmoren bei niedriger Öltemperatur. Das entlockt dem Saibling das volle Aroma. Ich wippe zum Balkan-Folk und gieße mit Schwung eine ordentliche Menge Olivenöl in eine ofenfeste Form.
Dazu kommen frische Gartenkräuter – ich zupfe Rosmarin, Thymian, Estragon und Oregano hinein. Ein Spritzer Zitronensaft darf nie fehlen. Dann schneide ich das Saiblingsfilet in Stücke und lege sie ins Öl. Die Form kommt nun zu den Kirschtomaten ins Backrohr. Die Temperatur von 80 Grad Umluft passt auch für den Fisch. Nach einer Viertelstunde stimmt die Konsistenz.
Vor dem Servieren ziehe ich die Haut des Fisches ab. Sie sieht aus wie die einer Schlange und schockt manch zusehendes Kind. Auf einen Teller setze ich einen Löffel des Spargelsalats, hebe den Saibling darauf und richte daneben die eine oder andere runzlige Kirschtomate an. Ein wenig grobes Meersalz rundet das Geschmackserlebnis ab.
Klar, dass dazu ein fein gekühlter Wein passt. Beim einjährigen Jubiläum genossen wir einen Morillon – auch Chardonnay genannt – aus dem Landesweingut Silberberg im südsteirischen Leibnitz. Weißweine und Menschen aus dieser Region sind spitze. Und natürlich Brot, das zu keinem salzigen Gericht fehlen darf.
Zutaten für eine Vorspeise für vier Personen:
Runzel-Tomaten: 1/2 Kilogramm Kirschtomaten, 3 Knoblauchzehen, 5 Esslöffel Olivenöl, grobes Meersalz und grober schwarzer Pfeffer, ein frischer Rosmarinzweig
Spargel-Salsa: 400 Gramm weißer Spargel, zum Kochen eine Prise Zucker und Salz, 4 Esslöffel Zitronensaft und 6 Esslöffel Olivenöl, Salz und Pfeffer
Confierter Saibling: Zwei Saiblingfilets (in vier Stücke geschnitten), 300 Milliliter Olivenöl, zwei Esslöffel Zitronensaft, frische Kräuter, Salz und Pfeffer
Musik:
Beirut, Album „Gulag Orkestar” aus dem Jahr 2006 (Label Ba Da Bling!) – unbedingt mit dem Bonus-Album Lon Gisland kaufen! www.beirutband.com
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