Das Sommerloch mit
süßen Knödeln stopfen.
An den Schlagzeilen dieser Tage merkt man, dass der August gekommen ist. Das Sommerloch fördert skurrile Nachrichten zutage. Heuer sind sie kulinarisch geprägt. Sie handeln von illegalen chinesischen Teigtaschen und Schnitzeln in brauner Panier. Im Probelokal unternehmen wir den Versuch, das Sommerloch mit einem Haufen süßer Knödel zu stopfen.
Die heutige Rezeptgeschichte beginnt mit einem kulinarischen Tiefschlag. Denn kürzlich verbrachte ich ein paar Tage in Wien. Eigentlich der Ort meiner kulinarischen Träume, ist mir doch die österreichische Küche mit ihrer Vielvölker-Geschichte die liebste. Doch dank spezieller Umstände, die hier nichts zur Sache tun, dinierte ich weder im Sacher noch im Steirereck. Stattdessen landete ich ausgerechnet in der Filiale einer großen Fast-Food-Kette.
Ein harter Aufprall auf einem kulinarischen Abgrund. Doch wenigstens trug er sich an einem historischen Ort zu: Denn ich würgte meine Sättigungsmittel ausgerechnet im ersten Lokal der Fast-Food-Kette hinunter, das in Österreich eröffnet wurde. Das war im Jahr 1977, wie eine Tafel am Eingang verkündet.
Ich musste an die Aussage einer Lehrerin denken, die in der Schulzeit einmal meinte, dass in Fast-Food-Lokalen das, was in den Körper hineinkommt, nicht unbedingt viel besser ist als das, was den Körper wieder verlässt. Die geneigte Leserschaft möge diese despektierliche Feststellung nachsehen, aber ich verstand an diesem Abend, was sie meinte.
Dim sum dumm gelaufen
Am nächsten Morgen überschlugen sich dann die Zeitungsschlagzeilen des großen Sommerlochs. Im selben Bezirk, in dem sich mein Hotel befand, wurde eine illegale chinesische Teigtaschen-Produktion ausgehoben. Und derzeit klingt es fast so, als befände sich in jedem zweiten Wiener Hinterzimmer eine Teigtaschen-Fabrik, denn nur wenige Tage später wurde die nächste dubiose Produktionsstätte entdeckt. Dim sum dumm gelaufen – die entdeckte Ware wurden flugs in einer Tierkörperverwertung vernichtet.
Die Teigtaschen-Enthüllung interessiert mich eigentlich so sehr, wie ein umgefallener Sack Reis in einem Vorort von Peking, aber wahrscheinlich musste mit dieser Geschichte ein großes mediales Sommerloch gestopft werden. Ähnliches versuchten auch die strammen Herren von den Rechtsaußen-Populisten.
Wieder mal die Schweine-Keule
Um ihrer zwischen Ibiza und Historikerkommission gebeutelten Klientel wieder einmal einen verdaulichen Happen zum Fraß vorzuwerfen, wurde die Geschichte vom Schweinsschnitzel aufgewärmt: „Jedes Kind soll in den Genuss eines Schnitzels kommen dürfen“ postete ein junger Rechter allen Ernstes, wie viele Zeitungen berichteten (etwa der Kurier). Ein Parteikollege packte als Draufgabe sogar die Brüssel-Keule aus: „Die EU kann mir mein knuspriges Schnitzel nicht verbieten.“
Zu beiden Statements wurde dasselbe Foto abgebildet. Allerdings handelte es sich aus Versehen nicht etwa um ein gebackenes Schweinsschnitzel, sondern um das Symbol-Fotos eines panierten Fisches. Zu allem kulinarischen Überfluss lag das XXL-Fischstäbchen auch noch auf einem Haufen grünen Salates.
Kochlehre statt Inhaltsleere
Nur am Rande sei erwähnt, dass das echte Wiener Schnitzel vom Kalb stammt. Dass es niemals auf Salat angerichtet wird, da die Flüssigkeit der Knusper-Panade gar nicht gut bekommt. Da möchte man den strammen Herren einen Wahlspruch zurufen: Lieber Kochlehre statt Inhaltsleere! Doch die Botschaft dürfte bei der Zielgruppe angekommen sein: Fürchtet Euch – sie wollen Euch nicht nur das Rauchen und Rasen nehmen, nein, auch noch die Sau!
Diese Postings zeugen nicht gerade von ausgeprägtem Selbstvertrauen: Ob man sich wirklich vor dem Verlust eines Schweinsschnitzels fürchten muss? Als Genießer eines gelegentlichen Bratens vom artgerecht aufgezogenen Schwein fürchte ich mich eher vor der Schweinefleisch-Industrie mit ihrer Massentierhaltung. Und natürlich auch vor ideologisch getriebenen Veganern und Öko-Fundis, die mir sogar die Vorliebe für Kuchen mit echten Eiern und feiner Butter madig machen wollen.
Schluss mit diesen kulinarischen Abgründen. Schluss mit dem Sommerloch! Stattdessen wende ich mich einer viel süßeren Seite Wiens zu. Der jungen Musik aus der österreichischen Hauptstadt. Und der legendären Mehlspeisküche.
Neue Musik aus Wien
Bei der Zubereitung der Nougat-Knödel begleitete mich Felix Kramer. Den Ottakringer Liedermacher und neuen Protagonisten des Wiener Popmusik-Wunders erlebte ich vor einigen Wochen in einer hochsommerlichen Konzertnacht, die ich lange nicht vergessen werde.
Erstaunlich, wie er singt: Irgendwie meine ich immer, dass er seinen Text nicht in den Takten der Musik unterbringt – aber am Ende geht sich doch alles aus. Und wie. Jede Sekunde von Titeln wie „Wahrnehmungssache“ oder „Vielleicht bist es eh du“ überzeugt mich mit ihrer Glaubwürdigkeit. Beim Konzert musste ich mir gleich sein Debüt-Album kaufen. Dass Felix Kramer es vor Ort signierte, dürfte den Wert des Albums in den kommenden Jahren steigern.
Mit dieser Musikuntermalung fühle ich mich wie ein Wiener Zuckerbäcker. Das Basisrezept für die Nougat-Knödel habe ich vor vielen Jahren in einem Mehlspeis-Rezeptbuch des Hotels Sacher entdeckt, von dem nur mehr ein paar zerschlissene Blätter übrig geblieben sind. Zum Knödel-Rezept habe ich mit Bleistift ein paar Notizen geschrieben, die ich Ihnen heute verrate.
Knödel-Manufaktur
Zuerst stelle ich die Zutaten bereit. Hauptbestandteil sind runde Nougat- oder Schokoladenkugeln. Falls Sie sehr motiviert sind, stellen Sie sie selbst her (siehe Turrón de Cholocate). Schokoladekugeln jeder Art gibt es natürlich auch im Supermarkt Ihres Vertrauens.
Lassen Sie das Grieß in der geschmolzenen Butter ein paar Minuten bei niedriger Temperatur ziehen. In einem zweiten Topf erhitzen Sie die Milch, den Rahm, eine Prise Salz, die fein abgeriebene Zitronenschale und einen Esslöffel Vanillezucker. Beginnt die gewürzte Milch zu kochen, gießen Sie sie in den Topf mit der Grieß-Butter-Mischung. Bei niedriger Temperatur rühren Sie mit einem Kochlöffel so lange, bis sich die Masse vom Topf löst.
Die Masse kühlt nun fünf Minuten neben dem Herd ab, bis Sie das Ei und ein Eigelb unterrühren. Dann warten Sie weitere fünf Minuten, die Sie nutzen, um einen großen Topf mit Wasser und einem Esslöffel Salz aufzustellen – darin werden danach die Knödel gekocht.
Mit angefeuchteten Händen nehmen Sie sich eine Portion der Grießmischung, drücken sie zwischen den Handflächen platt und legen eine Nougat- oder Schokoladekugel hinein. Dann umschließen Sie die Kugel mit dem Grießteig und formen eine schöne, kompakte Kugel daraus.
Wichtig ist, dass die Kugeln gut geschlossen sind, damit die Schokolade im heißen Wasser nicht heraus rinnt. Ebenso wichtig: Der Teig muss beim Füllen schon etwas abgekühlt sein, damit die Schokolade beim Formen nicht gleicht schmilzt. Das ist mir kürzlich passiert. Vor lauter Ärger hätte ich die missratenen Knödel fast an die Wand geknallt.
Insgesamt sollte die Teigmasse zwischen 12 und 16 Knödel ergeben. In zwei Etappen kommen diese nun ins heiße Salzwasser. Es sollte jedoch nicht kochen! Darin ziehen die Knödel nun für 10 Minuten gar, bis sie von alleine an die Oberfläche steigen, mit einem Löffel herausgehoben werden und in einem Teller auf die Kollegen der zweiten Etappe warten.
Jetzt kommen noch die Brösel
Währenddessen bereiten Sie die Brösel zu. In einer beschichteten Pfanne zerlassen Sie die Butter und geben die Semmelbrösel dazu. Kürzlich hatte ich keine Brösel zuhause und röstete stattdessen gehackte Mandeln an. Das schmeckte genauso gut! Dazu gesellen sich noch ein Esslöffel Vanillezucker und ein halber Teelöffel Zimt. Rühren Sie die Mischung gut durch und legen Sie die Knödel in die Pfanne.
Dann können Sie anrichten. Und es steht der schönste Moment dieses Gerichts bevor: Der Moment, in dem Sie am Tisch den ersten Knödel anstechen und Ihnen ein kleines Bächlein heißer Schokolade entgegen rinnt. Das Schlaraffenland! Übermütige Esser seien gewarnt: Versuchen Sie nie, vor lauter Freude einen ganzen Knödel in den Mund zu stecken. Die heiße Schokolade kann zu tagelang spürbaren Verbrennungen führen. Ich nuschle immer noch aus Erfahrung.
Falls es mit der Knödel-Produktion nicht beim ersten Mal klappen sollte, dürfen Sie nicht verzweifeln. Üben Sie weiter und denken Sie daran, was Felix Kramer im eingängigen Titel „Trotzdem nix woan“ singt: „Du host vü Geld und Zeit investiert. Du hast di in Zeug glegt, du hast di engagiert …. und es is trotzdem nix woan.“ So geht es also nicht nur Ihnen.
Zutaten für etwa 12-16 Knödel:
Für die Knödel: 30 Gramm Butter, 150 Gramm Weizengrieß, 200 Milliliter Milch, 150 Milliliter Rahm, 1 Esslöffel Vanillezucker, abgeriebene Schale von ½ Bio-Zitrone, 1 Ei, 1 Eidotter, 18 kleine Schokoladekugeln, etwas Salz
Für die Brösel: 20 Gramm Butter, 1 Esslöffel Vanillezucker, 150 Gramm Semmelbrösel (oder gehackte Nüsse), ½ Teelöffel gemahlenen Zimt
Musik:
Album „Wahrnehmungssache“ von Felix Kramer aus dem Jahr 2018, Label Phat Pinguin Records, www.felixkramer.at
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