Viel, viel heiße Luft.

Mit Salzburg habe ich manchmal ein wenig Mühe – wegen der touristischen Überfüllung, der Trapp-Familie und einer gewissen Abgehobenheit, die man der reichen Festspielstadt gelegentlich zuschreibt. Und natürlich wegen Red Bull, seinen vom Himmel gefallenen Werbe-Ikonen und den seelenlosen Sportvereinen auf Eis und Rasen. Doch es gibt auch versöhnliche Momente mit der Stadt. Wenn die Salzburger Kicker etwa mit herzerfrischendem Fußball durch die Champions League fegen. Bei dieser Gelegenheit ertönt der Anpfiff für die Zubereitung von Salzburger Nockerln. Und alles ist gut.

Bei den Salzburger Nockerln handelt es sich um eine luftig-leichte Süßspeise aus dem Backofen, die im Wesentlichen aus Eiern, Zucker und wenig Mehl besteht. Und sehr viel heißer Luft. Das erinnert an manches TV-Duell im Vorfeld der Wahlen. Oder an manches Wahlplakat: „Einer der unsere Sprache spricht“ heißt es diesmal gleich auf zweien. Schon Jörg Haider hat das plakatiert, ehe er sich – wie Schriftsteller Josef Winkler einmal schrieb – „mit seiner Asche aus dem Staub gemacht hat“.

Der Fürsterzbischof und seine 15 Kinder
Der Legende nach wurden die Nockerln erstmals dem mächtigen Salzburger Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau serviert. Und zwar von seiner Mätresse Salome Alt. Die Frage, wie sie neben 15 fürsterzbischöflichen Kindern auch noch Salzburger Nockerl schaukeln konnte, bleibt unbeantwortet. Denn die mächtigen Salzburger Herrscher sind seit rund 400 Jahren tot. Das beeindruckende Stadtbild aus dieser Zeit blieb jedoch erhalten. Genauso, wie die Nockerl.

Von wegen kompliziert!
Doch wenn ich mich umhöre, dann merke ich, dass dieses Wohlfühl-Gericht viel zu wenig gegessen wird. „Das ist so kompliziert zum Selbermachen“ meinen die Hobbyköche. Die Veganer machen wegen der Eier-Festspiele sowieso einen großen Bogen um die Nockerln. Und andere fürchten sich vor der Wartezeit im Gasthaus. Klar, die Nockerln können im Gegensatz zu Mousse au Chocolat oder Tiramisu nicht vorbereitet werden. Die gibt es nur frisch aus dem Ofen und stressen die Küche. Doch anlässlich des starken Auftritts des FC Salzburg in der Champions League gab es im Probelokal wieder einmal eine große Portion davon. Weitere werden folgen!  

Mit der Sauce geht es los
Zuerst bereiten Sie die Saucen-Unterlage vor. Dazu erhitzen Sie die Milch mit dem Vanillezucker und lassen den Topf einfach neben dem Herd stehen. Sie können statt der Vanille-Milch auch eine fruchtige Sauce zubereiten – dazu lassen Sie in einem Topf den Rohrzucker zergehen, löschen mit dem Zitronensaft ab und geben die Beeren dazu. Das Ganze köchelt nun 2-3 Minuten, ehe Sie mit einem Schuss Orangenlikör ablöschen, mit dem Mixstab pürieren und die Sauce durch ein feines Sieb drücken. Dann streichen Sie eine Auflauf-Form mit etwas Butter aus und geben die Sauce Ihrer Wahl – Vanille-Milch oder Beeren – in die Form.

Im Frühjahr bildet eine Erdbeer-Sauce die Grundlage für die Nockerln. Im Herbst meist Vanille-Milch.

Das Trennende über das Gemeinsame stellen
Dann beginnen die entscheidenden Momente des Nockerln-Zubereitens. Heizen Sie den Backofen auf heiße 220 Grad Unter/Oberhitze oder 200 Grad Umluft vor. Nun werden die Eier getrennt. Sie kennen die politische Floskel, nach der stets das Gemeinsame über das Trennende gestellt werden sollte. Heute ausnahmsweise nicht. Im Gegenteil – die sieben Eier werden feinsäuberlich getrennt. Es sollte keine Spur des Eigelbs im Eischnee liegen bleiben. Falls das vorkommt, mit einem Löffel großräumig entfernen!

Sämtliche kalten Eiweiße schlagen Sie in einem großen Rührkessel mit dem Mixer auf. Wichtig ist, dass der Rührkessel sehr sauber ist und keine Fettrückstände vorhanden sind. Im Zweifelsfall tropfen Sie vor dem Schlagen wenig Zitronensaft in den Kessel und trocknen ihn mit einem Blatt Küchenrolle aus. Dann ist er blitzblank. Und dann wird das Eiweiß optimal.

Während Sie mit dem Schneebesen auf dem Mixer agieren, geben Sie die Prise Salz dazu und lassen den Rohrzucker langsam einrieseln. Lassen Sie sich Zeit, der Schnee soll sehr fest werden. Auf den herrlichen Schneeberg geben Sie nun fünf der Eigelbe, den Vanillezucker, das Mehl und die Stärke. Herrlich wird’s, wenn Sie noch die Schale eine Biozitrone darüber reiben.

Die Zutaten unbedingt behutsam unterheben – es braucht keinen homogenen Teig!

Mit einem großen Schneebesen heben Sie nun die Zutaten unter den Eischnee. Aber sehr langsam, mit Bedacht! Und mehr als 5 Bewegungen sollten es nicht sein. Es soll kein ganz homogener Teig entstehen, es dürfen noch Spuren vom Eigelb sichtbar sein. Also nur „ein wenig“ unterheben!

Mit einer Teigkarte oder einem großen Löffel heben Sie nun drei bis vier große Nockerln nebeneinander in die Auflaufform, direkt auf die Sauce. Die Form kommt nun für gut 10 Minuten ins Rohr – achten Sie darauf, dass nichts anbrennt. Vielleicht braucht Ihr Ofen auch 2-3 Minuten länger.

Beim Servieren keine Zeit verlieren!
Falls ich Gäste erwarte, schiebe ich die Form mit den Nockerl genau in dem Moment in den Backofen, wenn es an der Tür läutet. Dann werden Hände geschüttelt, Jacken abgenommen und Hauspantoffeln verteilt, dazu gibt es ein bisschen Small Talk und natürlich könnte man im Stile Peter Alexanders noch schnell das luftig-leichte Lied „Salzburger Nockerln“ summen, um sich gemeinsam auf den festlichen Moment des Nockerln-Essens einzustimmen.

Meine erste und letzte Begegnung mit Peter Alexander ereignete sich leider nur im Wachsfiguren-Kabinett. Mit ihm hätte ich gerne einmal über Salzburger Nockerl oder Weiße Rössl im Duett gesungen.

Doch dann muss es schnell gehen. Denn die Nockerln verstehen keinen Spaß! Alle müssen hinsetzen, da gibt es kein Verzögern, niemand darf mehr auf die Toilette. Da werde ich kurz zum Offizier und erteile Befehle, da vergesse ich Augenhöhe, Wertschätzung und Gastfreundschaft. Zackig – hinsitzen!

Denn wenn die 10 bis 12 Minuten Backzeit um sind, muss sofort serviert werden! Wenn Sie auch nur zwei Minuten warten, bis die Nockerln vor den Gästen stehen, fallen sie in sich zusammen wie die salbungsvollen Ankündigungen derer, die vorgeben, „unsere Sprache“ zu sprechen. Dann ist die ganze heiße Luft wieder draußen.

Die erste Portion der Nockerln am Teller: Sieht bedingt appetitlich aus, schmeckt aber vorzüglich!

Counting Crows
Während des Nockerln-Essens lief kürzlich übrigens ein Album einer meiner ewigen Lieblings-Bands, und zwar den Counting Crows aus Berkeley in Kalifornien. Manche kennen die Folk-Rock-Band um Sänger Adam Duritz nur wegen ihres Hits „Mrs. Jones“. Dabei ist jede Aufnahme der Crows ein herbstlicher Hochgenuss, speziell das Doppelalbum „Across A Wire – live in New York City“. Dort sind Klassiker wie Round Here oder Angels Of The Silences enthalten. Ob mit oder ohne Nockerl: Diese Musik haut einen fast aus dem Sockerl.

Zutaten für drei bis vier Mehlspeis-Tiger zum Dessert:
Für die Unterlage: 120 Milliliter Milch, 10 Gramm Vanillezucker oder, falls Sie es lieber fruchtiger mögen: 250 Gramm Beeren, 1 Esslöffel Rohrzucker, Saft einer halben Zitrone und ein Schuss Orangenlikör
Für die Nockerln: 7 Eiweiß und 5 Eidotter, 70 Gramm Rohrzucker, 20 Gramm Vanillezucker, 30 Gramm Mehl, 15 Gramm Maisstärke, etwas Butter für die Form und Staubzucker zum Verfeinern

Musik: 
Album „Across A Wire“ von den Counting Crows aus dem Jahr 1998, Label DGC Records, www.countingcrows.com

Post Author: Dan

One Reply to “Salzburger Nockerln”

  1. Große Klasse. Prima aufgefädelt. Und Respekt vor der Leistung und dem Mut des Kochs! Klingt verführerisch, aber das tu ich mir nicht. Das Risiko, dass bei mir eher ein Schmarren rauskommen könnte, ist mir zu hoch bei dem Einsatz. Zumal ich auch nicht ganz brutal auf Mehlspeisen stehe. Und zudem hoffe ich, dass nächsten Mittwoch, Liverpool Salzburg in die Pfanne haut.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

You may also like

Hereinspaziert und ausprobiert

Willkommen in Dan’s Probelokal!
Auf dem Menüplan dieses Online-Lokals stehen stets frische Rezeptgeschichten. Als Beilage gibt es musikalische Entdeckungen und kritische Blicke auf unsere Gesellschaft.

Newsletter-Anmeldung
Wer sich für den Newsletter anmeldet, bekommt die Rezeptgeschichten vorab, frisch und heiß serviert. Senden Sie einfach eine E-Mail mit Betreff „Newsletter“ an dan@probelokal.com. Ihre Adresse wird natürlich nicht weitergegeben. Bis bald!

Folgen Sie Dan’s Probelokal

In Arbeit

Chili-Öl

Dieses Chili-Öl ist großartig für die eigene Vorratskammer. Aber es eignet sich auch wunderbar als Weihnachtsgeschenk. Und da mich schon seit August Lebkuchen und Schneeschaufeln in den Supermärkten empfangen, kann es ja nicht mehr lange hin sein, bis zum Dezember… Falls Sie auch schon mit der Geschenkeproduktion starten wollen: Das Rezept, das ich vor Jahren einmal im ZEIT-Magazin gefunden habe, versteckt sich in der September-Rezeptgeschichte. 

Zweite Wahl

Im Probelokal werden viele Rezepte ausprobiert. Doch nicht aus jedem wird eine eigene Geschichte, weil schlicht die Zeit dazu fehlt. Deshalb sehen Sie hier wechselnde Gerichte zweiter Wahl.

Falls ich Ihnen ein Rezept dieser Spalte senden soll, dann schreiben Sie mir: dan@probelokal.com. Und wenn Sie wollen, dann spenden Sie als Gegenleistung dem Verein „Herzkinder Österreich“ ein paar Euro. Vielen Dank!

Kleine Obst-Tartes

Die reiche Ernte will verarbeitet werden – schön und gut gelingt dieses Vorhaben mit diesen kleinen Tartes mit Grießfülle und frischem Obst.

Oder:

Falafel

Falafel gibt’s derzeit überall – natürlich auch im Probelokal. Am liebsten in Sesam gewälzt und mit frischer Tomaten-Salsa.

Oder:

Brombeer-Eis

Das Lieblings-Eis des zu Ende gehenden Sommers! In einer hausgemachten Brandteig-Schale mit frischem Obst serviert.

Rezept-Geschichten