Ein Pilzgericht als Herbstgedicht.
Herrlich ist er, dieser Herbst! Die Pilze schießen aus dem Boden wie die Wahlplakate. Heute gibt es ein Gericht, das wie der Herbst höchstpersönlich schmeckt – irgendwie nach Wald und tief stehender Sonne: Es gibt ein kräftiges Pilzgulasch, zu dem wir uns mit gemischten Gefühlen an die parlamentarische Arbeit von Peter Pilz erinnern und herbstliche Musik von Sarah Jarosz genießen.
Woran denken Sie, wenn ich über Pilze schreibe? An die Frisuren der Beatles? An Super Mario Kart, weil sie den kleinen Pilz namens „Toad“ immer plattgefahren haben? Oder gar an narrische Schwammerl, die illustre Politiker wie Boris Johnson möglicherweise verspeist haben, ehe sie das Parlament kaperten?
Der Aufdecker
Als alter Freund von Wortspielen muss ich bei der heutigen Rezeptgeschichte unweigerlich an Peter Pilz denken – den menschgewordenen Untersuchungsausschuss, den stets etwas zynisch wirkenden Einzelkämpfer, den T-Shirt und Sakko tragenden Aufdecker, der mit gerunzelter Stirn und rechthaberischer Miene fürchterliche Sachen enthüllt und angesichts politischer Abgründe wie Lucona, Noricum oder Eurofighter die Lebensfreude verloren zu haben scheint.
Vielleicht sollte Peter Pilz zwischendurch einfach einmal einen Mittagstisch aufdecken, anstatt eines politischen Skandals. Das würde ihm sicher gut tun. Als kritischer Bürger ist man nämlich hin- und hergerissen zwischen Respekt und Abneigung. Irgendwie ist ein künftiges Parlament ohne Pilz wie die Leber ohne Milz. Und andererseits weiß man – im Gegensatz zur Leber – bei der Milz eben doch nicht ganz, wofür sie letzten Endes gut sein soll. Dennoch widmen wir seinem unerschrockenen parlamentarischen Engagement dieses Gulasch.
Gulasch-Kochen ganz ohne Fleisch
Für die vegetarische Saucen-Basis Zwiebeln, Paprika und Knoblauch klein schneiden und in einem großen Topf mit etwas Butterschmalz bei mittlerer Temperatur anbraten. In einem zweiten Topf die Gemüsebrühe erwärmen. Übrigens: Probelokal-Stammgäste schneiden keinen Knoblauch klein, sondern verwenden ganz bequem einen halben Teelöffel Knoblauchpaste. Und statt der Gemüsebrühe geht natürlich auch die aromatische Hühnersuppe nach Art des Probelokals.
Wenn das angebratene Gemüse weich ist, Gewürze und – falls vorhanden – die getrockneten Pilze darüber streuen, kurz durchrühren und mit einem Schuss Apfelessig ablöschen. Mit Gemüsesuppe aufgießen und eine Viertelstunde köcheln lassen. Mit Rahm verfeinern, mixen und durch ein feines Sieb drücken, evtl. mit einem Teelöffel Maisstärke binden und die Sauce bei geringer Hitze auf dem Herd warmhalten. Vielleicht brauchen Sie zum Abschmecken noch etwas Salz, Pfeffer oder einen Spritzer Zitronensaft.
Für die Knödel braucht es keine Semmeln
Für die Knödel Butter in einer Bratpfanne zerlassen, eine gehackte Zwiebel anschwitzen, Brotwürfel dazugeben und knusprig rösten. Falls die Pfanne zu klein ist, portionsweise vorgehen. Übrigens verwende ich keine gekauften, trockenen Semmelwürfel – am besten schmeckt es, wenn Sie einfach Ihr Lieblingsbrot würfeln. Bei mir war es zuletzt ein herrliches Dinkel-Kastenbrot.
Die Brot-Zwiebel-Mischung in eine große Schüssel geben, die erwärmte Milch darüber gießen, Gewürze, Maisstärke und verquirlte Eier dazu geben. Gut durchrühren, fünf Minuten durchziehen lassen und mit feuchten Händen Knödel formen. Falls Sie einen Dampfgarer verwenden, auf ein eingefettetes Blech setzen und bei 100° Feuchtigkeit für 15 Minuten in den Ofen schieben. Oder Wasser aufkochen und salzen, etwas zurückschalten, die Knödel in etwas Mehl wälzen und 15 Minuten im Wasser sieden lassen. Herausheben und beiseite stellen.
Die Pilzsäuberungs-Meditation
Nun folgt eine Geduldsprobe. Es geht darum, die Pilze zu säubern. Und ich gestehe, das ist der Grund, warum ich mir nur selten so ein Pilzgulasch zubereite. Denn die filigrane Arbeit des Pilzputzens kostet Zeit und Energie. Außer, man betrachtet sie als Meditation. Nur wenig Arbeit bereiten die gezüchteten Kräuterseitlinge und Crèmechampignons – sie sehen aus, als kämen sie frisch aus der Waschstraße zu mir ins Probelokal.
Doch die wild gewachsenen Pfifferlinge und Steinpilze scheinen den halben Wald mitgebracht zu haben. Beim Reinigen der Pilze zeigt sich der Charakter eines Menschen. Es gibt Leute, die wässern die Pilze ganz penibel, entfernen mit Bürste und Messer bewaffnet jede Spur von Tannen-Nadel oder Erdpartikel. Andere wiederum braten die Pilze mitsamt ihrer Mitbringsel aus dem Unterholz an, sehen sogar über Würmer und Käfer hinweg.
Tun Sie, wie Sie wollen. Aber meines Erachtens liegt die Wahrheit – wie so oft im Leben – nicht bei schwarz oder weiß, sondern irgendwo in der Grauzone. Ziemlich in der Mitte. Denn das viele Wasser ist nicht gut für die Pilze, sie saugen sich damit voll und verlieren an Geschmack. Und andererseits brauche ich auch keinen halben Wald im Essen. So entferne ich, kompromissorientiert wie ich bin, den gröbsten Dreck, alles, was ich sehe, und vertraue darauf, dass sich nicht allzu viele Waldbewohner in die Lamellen zurück gezogen haben.
Nun brate ich die Pilze in kleinen Portionen in einer Bratpfanne mit etwas Öl bei recht hoher Temperatur scharf an. Gehen Sie unbedingt in kleinen Schritten vor, wenn Sie den guten Geschmack wahren wollen. Jede kleine, scharf angebratene Pilzportion verfeinern Sie mit etwas Salz, Pfeffer und ein paar Tropfen Zitronensaft und parken sie in einer Schüssel. Erst kurz vor dem Servieren geben Sie die Pilze in die Sauce. Zum Schluss braten Sie die Knödel in einer beschichteten Pfanne in etwas Butter an und richten sie auf dem Pilzgulasch an.
Herbstmusik zur Krönung des Gulaschs
Zur Krönung fehlt die Musik. Hier ist sie schon! Denn immer, wenn der Herbst übers Land zieht – mit seinem wunderbaren Licht, der tief stehenden Sonne, den bunten Farben und den ersten düsteren Regentagen – dann schlägt die Stunde von Musikerinnen wie Sarah Jarosz. Der Herbst klingt für mich wie die 28jährige Bluegrass-Musikerin. Wenn die in New York lebende Texanerin wahlweise ihre Mandoline, ihr Banjo oder ihre Gitarre umhängt und in die Saiten greift, dann rieseln bunte Blätter vom Baum. Egal, ob im Indian Summer des Central Parks oder im Altweibersommer von Vorarlberg.
Spätherbstlich, nass und kalt wird es, wenn Jarosz auf keltischen Spuren wandelt und „Annabell Lee“ singt. „Green Eyes“ nennt sich ein angenehmer Ohrwurm, der besonders im Finale und beim akustischen Gitarrensolo aufblüht. Und wenn man richtig gut ist, so wie Sarah Jarosz, dann darf man sich auch an Cover-Versionen von Musikgrößen heran wagen. Das tut sie, wenn sie etwa „Kathy’s Song“ von Simon & Garfunkel singt oder „Ring Them Bells“ von Bob Dylan. Da können die Meister noch etwas lernen.
Übrigens: Auch Peter Pilz macht Musik – und zwar, wie ich gelesen habe, in einer Band namens Prinz Pezi und die Staatssekretäre. Ob es die Combo noch gibt oder sie sich – was irgendwie passend wäre – schon aufgelöst hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Zutaten für vier Personen:
Sauce: 1 Esslöffel Butterschmalz, 3 Zwiebeln, 3 rote Paprika, 2 Knoblauchzehen, 1 geh. Esslöffel Paprikapulver, 1 Teelöffel getrockneter Majoran, ½ Teelöffel ganzer Kümmel, eine Prise Zucker, Pfeffer, Salz, evtl. eine Handvoll getrocknete Pilze (zB Pfifferlinge, Steinpilze oder Morcheln), 1 Schuss Apfelessig, 600 Milliliter Gemüsebrühe, 1/8 Liter Rahm
Pilze: 1 kg frische, gemischte Pilze – zB Pfifferlinge, Crèmechampignons, Kräuterseitlinge und Steinpilze, etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer
Knödel: 400 Gramm Ihres Lieblingsbrotes, 5 Eier, 300 Milliliter Milch, 1 Zwiebel, 50 Gramm Butter, Salz, Pfeffer, Muskatnuss, etwas gehackte Petersilie, 2 Esslöffel Maisstärke, evtl. etwas Mehl
Musiktipp:
Album „Undercurrent“ der amerikanischen Singer-Songwriterin Sarah Jarosz aus dem Jahr 2016, Sugar Hill Records, www.sarahjarosz.com
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