Die große Hefe-Verwertung.
Ich habe genug von den Extremisten der Krise, diesen obercoolen Verharmlosern und übervorsichtigen Spießern. Und auch von den herzerwärmenden Bildern von Delfinen, die in menschenleeren Häfen herumspringen. Sie merken schon: Es ist Zeit für ein paar polemische Zeilen. Und für die Verwertung der Großpackung Hefe im Kühlschrank. Damit am Ende doch noch alles gut wird.
Ich mag die Menschen. Doch in Schwärmen auftretend können sie manchmal mühsam werden. Gerhard Polt hat in Anlehnung an Nestroy einmal gesagt: „Der Mensch an und für sich ist gut, aber die Leut‘ sind ein Gesindel.“ Das zeigt sich in den Nebenwirkungen der Virus-Krise.
Auf der einen Seite gibt es plötzlich Corona-Verharmloser: Es sei doch nur eine leichte Form der Grippe, behauptet dieser Menschenschlag. Verschwörungstheorien feiern fröhliche Urständ: Man wolle uns mit Corona nur gefügig machen, zu Impfungen zwingen oder klammheimlich 5G-Masten aufstellen.
Ein skurriles Sammelsurium ist das, zusammen gewürfelt aus Rechten und Linken, aus Trump-Eiferern, Hobby-Virologen und weltfremden Esoterikern, die nun aus ihren Löchern kriechen und – aufgescheucht vom Weltenlauf – ihre Zeit gekommen sehen. Da wünscht man sich für eine Weile die Isolation zurück oder denkt an die Worte Blaise Pascals: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“ Bitte bleibt noch eine Weile dort.
Und dann gibt es auf der anderen Seite auch allzu verunsicherte Leute, die sich in der Wohnung einsperren, jede Aussage eines Regierungsvertreters ohne kritisches Hinterfragen für bare Münze nehmen, Klopapier hamstern und selbst in ihrer Isolation einen Mundschutz tragen. Sie würden sogar eine rote Clownnase aufsetzen, wenn das der Kanzler mit ernster Miene empfehlen würde. Wie zu vernehmen ist, schrecken manche auch nicht davor zurück, ihre Nachbarn anzuzeigen, falls der Mindestabstand nicht der Größe eines Babyelefanten entspricht.
Spreader überflüssigen Wissens
In sozialen Medien treiben sie ihr Unwesen, diese Extremisten aller Seiten. Offenbar finden alle den Wissenschaftler ihres Vertrauens, der in irgendeinem Youtube-Statement die eigene Meinung untermauert. Diese Spreader überflüssigen Wissens verbreiten ihre Links viral. Als gäbe es nicht ohnehin eine Übersättigung an Corona-Nachrichten.
Doch es gibt eine tröstliche Erkenntnis: Die meisten Menschen agieren vernünftig. Sie tragen den raschen Lockdown mit, schätzen das stabile Gesundheitssystem und setzen die Empfehlungen der Politik mit Augenmaß um. Diese unaufgeregte, stille Mehrheit vergisst nicht auf die Eigenverantwortung und wahrt den kritischen Blick auf die Politik.
Sie will sich weder an ein Bemuttern gewöhnen, noch lässt sie sich von politischen Schlagworten – etwa dieser „neuen Normalität“ – einlullen. Wie ich höre, geht der Versuch des Kanzlers, sich allzu schnell in eine Reihe mit Figl und Kreisky einzuordnen, nicht wenigen auf die Nerven. Dazu bräuchte es nicht nur das respektable Corona-Management, sondern generell glaubwürdigere Überzeugungen, einen europäischen Geist und weniger Eigenlob.
Wo ist all die Hefe geblieben?
Ein erstaunliches Phänomen der Krise ist auch der Engpass an frischer Hefe. Kürzlich habe ich das letzte Stück aus einem Regal gezogen, eine Großpackung. Seither liegt in meinem Kühlschrank ein Viertel Kilogramm des Pilzes. Deshalb gibt es nun alle paar Tage Naan, diese knusprig-zarten Brotfladen. Die aß ich zuvor nur in einem indischen Restaurant. So gut wie beim Inder werden sie bei mir nicht. Aber ich komme ihm nach einem halben Dutzend Versuchen immer näher.
Für das Naan benötigen Sie drei Gefäße: Im ersten verrühren Sie die Hefe, den Zucker und das lauwarme Wasser. Im zweiten verquirlen Sie das Ei mit der Milch und dem Joghurt. Und im dritten, das das größte sein soll, parken Sie das Mehl, das Backpulver, das Salz und – falls Sie welches dazu geben möchten – das Gewürz. Nun gießen Sie die flüssigen Inhalte der beiden anderen Schüsseln über die Mehlmischung. Am besten, Sie verwenden die Knethaken eines Mixers, um die Zutaten in rund fünf Minuten zu einem schönen Teig zu vermengen.
Meistens müssen Sie noch nachhelfen – ist der Teig zu feucht, kommt etwas Mehl dazu. Und ist er zu trocken, etwas Milch. Tasten Sie sich ans Ziel, decken Sie das Gefäß mit einem Küchentuch ab und lassen Sie den Teig mindestens eine halbe Stunde ruhen. In dieser Zeit macht der Teig dank der Hefe das, was auch die Helden der Corona-Krise derzeit tun: Er wächst über sich hinaus.
Dann teilen Sie den Teig in ein paar Stücke – mindestens sechs dürften sich ausgehen. Klebt der Teig, lassen Sie einfach noch etwas Mehl darüber rieseln. Ziehen Sie die Teigstücke mit den Händen zu länglichen Fladen auseinander. In einer beschichteten Pfanne mit etwas Butterschmalz werden die Fladen nun bei mittlerer Temperatur gebacken. Vergessen Sie nicht, sie nach wenigen Minuten zu wenden, damit sie beidseitig schön braun werden. Rustikale Feinschmecker pinseln vor dem Servieren noch etwas zerlassene Knoblauchbutter auf das Brot.
Ab ins Gemüse
Das Frühlingsgemüse ist einfach zuzubereiten und taugt auch als eigenständiges Gericht. Zuerst wird es gewaschen, zugeputzt und geschnitten. Vom grünen Spargel knicke ich das untere Viertel an der Sollbruchstelle ab. Den Rest schneide ich schräg in ca. zwei Zentimeter große Stücke. Die Karotte wird geschält und gemeinsam mit der Paprika klein gewürfelt. Passen Sie auf Ihre Finger auf!
In einer beschichteten Pfanne mit Olivenöl werden zuerst die Karotten- und Paprikawürfel scharf angebraten, nach wenigen Minuten kommt der Spargel dazu. Und zu guter Letzt noch die in Scheiben geschnittenen Frühlingszwiebeln und die gehackte Knoblauchzehe. Ebenso eine Prise Salz und ein Spritzer Zitronensaft.
Nach fünf Minuten, in denen Sie immer wieder durchrühren, ist das Gemüse bissfest. Am Ende habe ich noch ein paar Radieschen in Scheiben geschnitten und eine Dose Kichererbsen zum Gemüse gegeben. Mit Salz, Pfeffer, Olivenöl und Zitronensaft wird die feine Mischung mariniert. Meist riesle ich noch eine gehackte Chilischote und Schnittlauch darüber.
Der Rest ist für die Fische
Eigentlich bräuchte es nicht mehr, als das marinierte, noch lauwarme Gemüse und das Naan. Doch irgendwie hatte ich Lust auf eine würzige Fischbeilage. Vielleicht hat mich eine weitere Corona-Spezies dazu provoziert. Sie ist vergleichsweise harmlos. Denn sie überflutet meinen Posteingang seit Beginn der Krise mit Bildern von tanzenden Delfinen in den leeren Häfen. Mit Filmen von Tieren, die sich die Stadt zurück erobern.
Auch ich respektiere Tiere, gewähre einer zugelaufenen Katze Asyl und esse nur noch selten Fleisch. Und damit wir uns richtig verstehen: Ich hoffe sehr auf einen Green Deal. Jetzt ist es höchste Zeit dafür! Ich verzichte gerne auf die Rückkehr der Formel 1, auf Billigflüge oder die Kreuzfahrt-Industrie. Aber bitte verschont mich trotzdem mit springenden Delfinen. Beschäftigt Euch lieber mit dem Hafenarbeiter, der wie Millionen Menschen den Job verliert und Sorge um seine Familie hat!
Und genau deshalb gibt es heute einen Fisch am Spieß. Ausnahmsweise habe ich mir sündteuren Bio-Lachs geleistet (ein paar Lachs-Gedanken gab es schon bei einer Rezeptgeschichte aus dem Jahr 2018). Sie können auch anderen, festfleischigen Fisch nehmen – lassen Sie aber nur die Finger von den Delfinen, Sie könnten ernsthafte Probleme mit Kindern und allen möglichen Aktivisten bekommen. Ich schneide ca. drei x vier Zentimeter große Stücke aus dem Fleisch und tauche sie in einer Marinade aus Tomatenmark, Ahornsirup, Sojasauce, Zitronensaft, Knoblauch und Currypulver.
Dann drücke ich drei Stücke auf einen Holzspieß und brate sie in einer beschichteten Pfanne in etwas Öl beidseitig bei mittlerer Hitze an – das dauert nur zwei, drei Minuten, der Fisch darf nicht zu trocken werden. Nur vor dem Servieren erhöhe ich für eine Minute die Temperatur, damit der Fisch schön kross wird. Dann bette ich den Spieß auf den Naan-Fladen und richte sie mit dem lauwarm marinierten Frühlingsgemüse an.
Sage Nein! Aber nicht zum Essen.
Zum Essen lief seit langem wieder einmal das gemeinsame Album der Liedermacher Reinhard Mey, Konstantin Wecker und Hannes Wader. Ihr Album „Mey, Wader, Wecker – das Konzert“ ist mir ausgerechnet in diesen turbulenten Tagen wieder in die Hände gelangt. Es strotzt nur so vor politischen Texten, die hörbar von Herzen kommen und deshalb überzeugen – etwa bei „Sage Nein!“.
Bei gutem Essen und eingehender Musik kommen die Gedanken in dieser Krisenzeit wieder ins Lot. Und man schließt den Frieden mit manch kauzigen Zeitgenossen…
Zutaten für vier Personen:
Naan: 20 Gramm frische Hefe (ein halber Würfel, falls Sie noch eine kleine Packung ergattert haben), 1 Esslöffel Zucker und 60 Milliliter lauwarmes Wasser; 1 Ei, 60 Milliliter Milch und 100 Gramm Joghurt; 400 Gramm Mehl, 1 Teelöffel Backpulver, 1 Teelöffel Salz, 1 Teelöffel geräuchertes Paprikapulver oder Currypulver; 1 Esslöffel Butterschmalz zum Backen, etwas Knoblauchbutter zum Bepinseln
Frühlingsgemüse: 500 Gramm grüner Spargel, 2 Karotten, 2 Paprika, 2 Frühlingszwiebeln, 1 Knoblauchzehe, ein paar Radieschen, eine Chilischote, etwas Schnittlauch, Zitronensaft, Olivenöl, Salz und Pfeffer
Spießiger Fisch: 600 Gramm Wild- oder Biolachs, für die Marinade je 1 Esslöffel Tomatenmark, Ahornsirup, Sojasauce und Zitronensaft, Pfeffer, Salz, ein Teelöffel Currypulver oder eine Ihrer Lieblings-Gewürzmischungen, zum Anbraten zwei Esslöffel Öl – zB Erdnuss- oder Rapsöl
Musik:
Album „Mey, Wader, Wecker – das Konzert“ von Reinhard Mey, Hannes Wader und Konstantin Wecker aus dem Jahr 2003, Label „Pläne“
Oh, das klingt lecker! Danke für die Beschreibung und das Rezept.
Ich frag mich allerdings schon die ganze Zeit, woher alle Österreicher*innen genau wissen wie groß ein Babyelefant ist. Die rennen ja bei uns (jedenfalls im Ländle) nicht einfach so auf der Strasse rum. 🤔😊
Vergelts Gott, Daniel!
Ps. Wo wir jetzt doch so einen Überschuss an Babyelefanten in Österreich haben, hättest da nicht ein feines Rezept für?
Pps. ZUVIELEVERSALIENVERDERBENDIEBESTEBUCHSTABENSUPPE