In der Würze liegt die Kürze.
Aus herrlichem Gemüse aus dem Erntedank-Korb lässt sich großartige Instant-Gemüsesuppe herstellen. Dieses Basisrezept für den Vorratsschrank gibt Kraft für die kalte Jahreszeit und wird Sie würdevoll über die zweite Welle hinweg surfen lassen. Die Suppenwürze ist ratz-fatz hergestellt und hält wochenlang. Dagegen sehen die glutamatigen Pulver-Suppen aus dem Lebensmittel-Labor alt aus.
Kürzlich meinte jemand, die Corona-Krise möge bloß nicht gleich wieder verschwinden – die Zeit der Entschleunigung sei so wertvoll und die Menschen seien noch nicht genügend weichgeklopft für nachhaltige Veränderungen. Nun, die romantischen Aussagen machten mich erst recht unruhig. Nicht selten stammen sie von weltfremden Egozentrikern, denen das Schicksal von Arbeiterinnen, Wirten oder Künstlerinnen herzlich egal ist. Ich machte mich schleunigst aus dem Staub, um nicht in Rage zu geraten.
Ich gönne natürlich allen die Ruhe, die sie brauchen. Die soll es aber auch abseits von Krisen geben. Auch ich schätze stille Momente. Doch alles zu seiner Zeit. Mich beunruhigen manche Entwicklungen derzeit eher. Ich empfinde die Corona-Monate als Gegenteil von Entschleunigung – die Anspannung ist greifbar. „Stürmische Zeiten, mein Schatz“, würde Konstantin Wecker singen. Die Zeit seit März ist vergangen wie im Flug. Und die Muße zum gemütlichen Kochen, Musik hören und Rezeptgeschichten schreiben fehlte oft, weil Corona vieles komplizierter machte.
Das Suppenwunder
Wenigstens reichte die Zeit gerade noch, um einen Winter-Vorrat an Suppenwürze anzulegen. In der Kürze liegt schließlich ganz viel Würze. Eine stattliche Menge ist in einer Stunde hergestellt – und reicht für viele Wochen. Damit entsteht die Basis für vegane Gemüsesuppen und das beste, natürlichste Würzmittel, das ich kenne. Kaum ein Eintopf, eine Sauce, ein Risotto oder ein Salatdressing, das ohne diese Suppenwürze auskommt. Selbst pur, vielleicht mit ein paar Backerbsen, schmeckt die gesunde Mischung sehr fein. Ein Wundermittel aus dem Rezeptschrank meiner Mutter, das ich Ihnen ans Herz lege. Da können die Glutamat-Express-Suppen der Nahrungsmittelindustrie einpacken.
Für die Suppenvorrats-Produktion brauchen Sie einen großen, herbstlichen Erntedank-Korb voller Gemüse: Karotten, Sellerie, Zwiebeln, Lauch, vielleicht noch eine Fenchel-Knolle, dazu ein paar kräftige Kräuter wie Liebstöckel und Petersilie. Und ganz, ganz viel Salz zum Konservieren. Außerdem ein paar Gläser mit Schraubverschluss und ein Küchengerät, um das Gemüse klein zu kriegen.
Zuerst wird das Gemüse zugeputzt und geschält. Dann wird es grob geschnitten und in eine große Schüssel gehäuft. Dazu kommen pro 100 Gramm Gemüse 20 Gramm Salz – das ist eine ganze Menge, aber das Salz konserviert. Ich nehme am liebsten uraltes Steinsalz aus europäischem Bergbau, das scheint mir naturbelassener zu sein, als das heute gewonnene Meersalz. Nun hacke ich noch grob gehackte Kräuter über das Gemüse. Einmal habe ich noch getrocknete Steinpilze, Ingwer und ein paar Chilischoten dazu gegeben. Mich freute das, für Kinder könnte die Würze damit aber zu scharf und exotisch werden.
Mein veganer Fleischwolf
Die durchgerührte Gemüse-Kräuter-Salzmischung darf nun eine halbe Stunde ziehen. Dann gieße ich einen kräftigen Schuss Olivenöl dazu und jage die Mischung portionsweise durch den Fleischwolf. Der Fleischwolf meiner Küchenmaschine wird seinem Namen übrigens nicht gerecht – denn er ist Veganer. Noch nie hat er ein Stück Fleisch gesehen, sondern muss stets zur Falafel-Produktion und für Gemüse herhalten. Doch das hat ihm die Zähne noch nicht gezogen.
Die nun fein gehackte, bunte Mischung wird in sterile Gläser abgefüllt. Dazu spüle ich die Gläser mit heißem Wasser aus und stelle sie bei 120 Grad für eine Viertelstunde ins Backrohr. Sobald ich sie schmerzfrei anfassen kann, befülle ich die Gläser mit der Suppenwürze, verschließe sie und stelle sie in den Kühlschrank. Dort warten sie geduldig auf ihre Verwendung.
Kartoffel-Gulasch
Ein Anwendungsbeispiel für die Suppenwürze liefere ich Ihnen heute gleich mit: Nämlich ein kräftiges Kartoffel-Gulasch, das nasskalte Herbstabende in behagliche Stunden verwandelt. Beim Essen meint man, im Hintergrund ein offenes Kamin knistern zu hören. Ein Stück wirklicher Ruhe im Corona-Sturm. Fast wie Après-Ski ohne betrunkene Menschenmassen und ohne DJ Ötzi. Fast wie ein erster Adventsonntag ohne vorgezogene Stille Nacht – herrlich.
Dafür lege ich mir das Album „Kintsugi“ der Indie-Band „Death Cab For Cutie“ ein. Derzeit summe ich den ganzen Tag deren Titel „Little Wanderer“ vor mich hin. Davon gibt es auch eine nette Akustik-Version, die ich Ihnen ans Herz legen möchte. Auf demselben Album ist auch der Titel „Black Sun“, der mich vor einiger Zeit auf die Band aufmerksam gemacht hat. Death Cab For Cutie stammen übrigens aus Bellingham, einer Kleinstadt im hohen Nordosten der USA. Vor ein paar Jahren schrieb die Band das Protesttitel „Million Dollar Loan“ gegen Donald Trump – wenig überraschend für eine Indie-Band aus Küstennähe und hoffentlich impulsgebend für die kommenden Wahlen.
Fürs Gulasch stelle ich zunächst die würzige Saucen-Basis her. Im zerlassenen Butterschmalz brate ich zuerst die in dünne Scheiben geschnittenen Landjäger oder Kaminwurzen an – das ist in dreißig Sekunden erledigt, dann parke ich das Fleisch in einer Schüssel. Im Schmalz schwitze ich dann drei Minuten lang die klein geschnittenen Zwiebeln an und gebe den gehackten Knoblauch und Paprikawürfel dazu. Der Geruch ist fantastisch. Kümmern Sie sich nicht um die Schönheit der Würfel, das Gemüse wird später ohnedies mit dem Stabmixer zur Sauce zerkleinert.
Dazu kommen der Rohrzucker und eine erste Prise Salz. Nach dem Durchrühren außerdem Kümmel, Majoran, das Paprikapulver und das Tomatenmark. Mit dem Schuss Apfelessig wird dampfend abgelöscht, danach kommt der halbe Liter Gemüsesuppe dazu – ich verrühre dazu einen Esslöffel der fabulösen selbstgemachten Suppenwürze in heißem Wasser und lösche damit die bratende Mischung ab.
Die Sauce köchelt nun eine Viertelstunde leise vor sich hin. In dieser Zeit schälen und würfeln Sie die Kartoffeln, um sie in einem eigenen Topf in Salzwasser weich zu kochen. Die Zwiebel-Paprika-Sauce wird nun püriert und mit einem Schuss Rahm verfeinert, danach kommen die abgeseihten Kartoffeln in die Sauce. Am Ende wird mit Salz, Pfeffer, etwas geräuchertem Paprikapulver und einem Spritzer Zitronensaft abgeschmeckt, außerdem dürfen die geparkten Landjäger oder Kaminwurzen wieder in den Topf. Serviert wird mit einem knusprigen Stück Brot.
Und während ich das Gulasch löffle, kehrt Ruhe ein. Das ist Entschleunigung, wie sie mir gefällt! Dabei gehen mir viele mehr oder weniger belanglose Fragen durch den Kopf: Welchem Virologen soll man glauben? Wie würde man den Mund-Nasen-Schutz befestigen, hätte man keine Ohren? Würde man zu Halloween den Nachbarn erstmals ohne Maske mehr erschrecken, als mit Maske? Ist HC Strache politische Geschichte oder wird er uns noch einmal heimsuchen? Ist Lisa Eckhart in Wahrheit Martin L. Gore oder haben die beiden nur denselben Friseur? Es gibt derzeit mehr Fragen, als Antworten. Aber ich bin guter Dinge, das sich alles einrenkt. Schließlich wird am Ende alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Schluss.
Zutaten:
Suppenwürze für rund 4 Gläser: 5 Karotten, 8 Stangen Sellerie, 2 Zwiebeln, 2 Lauchstangen, 1 Fenchel-Knolle, je ein halber Bund Liebstöckel, Petersilie, ein Schuss Olivenöl und eine große Packung Salz (auf 100 Gramm Gemüse kommen rund 20 Gramm Salz) – alternativ empfehlen sich noch eine Paprika, ein paar Rosmarin-Nadeln, zwei Chilischoten, ein kleines Stück Ingwer und ein paar getrocknete Steinpilze.
Kartoffel-Gulasch für 4 Personen: Für die Gulasch-Basis 1 Esslöffel Butterschmalz, 3 rote Paprika, 2 Zwiebeln, 2 Knoblauchzehen, ein Teelöffel Rohrzucker, ½ Liter Gemüsesuppe aus der Suppenwürze, ein Schuss Apfelessig, eine kräftige Prise Kümmel und ein Teelöffel mit getrocknetem Majoran, zwei Esslöffel Paprikapulver, zwei Esslöffel Tomatenmark und ein Schuss Rahm; außerdem ½ Kilogramm festkochende Kartoffeln, ein paar Landjäger oder Kaminwurzen, Pfeffer, Salz und ein Spritzer Zitronensaft – und unbedingt ein knuspriges Stück Brot.
Musik:
Album „Kintsugi“ von Death Cab For Cutie aus dem Jahr 2015, produziert von Rich Costey, Label Atlantic Records, www.deathcabforcutie.com
Lieber DAN
So ein Glück / Zufall, dass dein Rezept für Kartoffelgulasch gerade heute kommt, wo wir für morgen Kartoffelgulasch auf unserem Wochenplan haben.
Danke und freundliche Grüße,
Walter
Lieber Daniel,
Kompliment zu deinem Probelokal, den brauchbaren Rezepten und geistrichen Kommentaren. Ein schöner und nützicher Beitrag zur Esskultur, die leider oft unterschätzt wird. Falls du dich an Riebelmais versuchen willst wir stehen bereit …
lg
Richard Dietrich, Lauterach
Danke, lieber Richard! Deine Produkte sind immer wieder im Einsatz!