Rustikaler Spargelsalat:
Wir holen die Gemüse-Diva auf den Boden zurück.
Der Spargel hat mit der deutschen Fußballmannschaft einiges gemeinsam: Es gibt ihn in weiß oder grün, er wirkte zuletzt etwas hölzern und beide erleben gerade ihr jähes Saisonende. Und wenn das deutsche Team schon vom WM-Thron gestoßen ist, dann wollen wir auch den Spargel auf den Boden der Realität zurück holen. Meines Erachtens wird gerade der weiße Spargel gemeinhin überschätzt. Auch im zurückliegenden Frühjahr wunderte ich mich öfters, warum sich viele Hobbyköche vor den Marktständen mit Ellenbogen in Pole-Position brachten, um ein halbes Kilo teures Gemüse zu ergattern. Nur, um es zuhause mit einem Tetrapäcklein Sauce Hollandaise zu ertränken!
Bevor der Hype wieder für neun Monate lang versandet, will ich Frieden mit dem Gemüse schließen und ein versöhnliches Spargel-Saisonfinale feiern. Ich schnappe mir am Markt ein halbes Kilo dünner, weißer Spargelstangen. Daheim entdecke ich noch potenzielle Zutaten für einen spontanen, rustikalen Spargelsalat. Es liegt ein Stück Baguette vom Vortag herum, im Kühlschrank läuft bald eine Packung mit dünnen Scheiben Schinkenspeck ab, und eine schon leicht schrumpelige rote Chilischote schreit geradezu nach ihrer Verwertung.
Ich schäle den Spargel, breche das holzige untere Fünftel weg und gebe die Stangen für eine knappe Viertelstunde bei 100 Grad und 100% Feuchtigkeit in den Dampfgarer. Genauso gut könnte ich die Stangen in einem Topf mit leicht gesalzenem, köchelndem Wasser für fast 10 Minuten garen. Zwischenzeitlich röste ich das grob gewürfelte Baguette in einer Bratpfanne ohne Öl an, dann werfe ich den klein gewürfelten Schinkenspeck zum Brot (Vegetarier ersetzen den Speck einfach durch eine gehackte Knoblauchzehe) und gebe doch noch einen Schuss neutrales Öl dazu, zB Rapsöl. Wenn es nach mir geht, darf alles in die Nähe des Verbrannten gehen, also ruhig schön braun werden lassen (nur ja nicht in der Politik). In die Restwärme schnipfle ich noch die Chilischote.
Spargel auf Augenhöhe
Inzwischen ist der Spargel gar, ich hebe ihn aus dem Dampfgarer oder dem Wassertopf und lasse ihn 5 Minuten abkühlen. Effizient, wie wir im Probelokal kochen, nutze ich die Zwischenzeit für die Zubereitung der Marinade. Pressen Sie den Saft einer Zitrone in eine Schüssel, dann salzen und pfeffern Sie großzügig und drücken eine Messerspitze Senf aus der Tube dazu. Dazu kommt feines Olivenöl, etwas mehr als Zitronensaft. Beim kräftigen Verrühren entsteht eine feine Bindung. Der Spargel ist nun wohltemperiert, fast wie das Klavier von Bach, und kann schräg in gut 1 cm dicke Stücke geschnitten werden.
Spätestens jetzt wird dem Spargel bewusst, dass er nicht die Hauptrolle spielt. Er muss seine Star-Allüren ablegen, so kurz und klein geschnitten wird er nur ein Teil des großen ganzen Salats. „Auf Augenhöhe“, wie man heute so schön sagt. Die Spargelstücke schubsen Sie in die Marinade, dazu kommen die knusprigen Brotwürfel, Speck und Chili, dann mischen Sie alles kräftig durch. Falls Sie frische Kräuter vorrätig haben, sollten Sie diese fein gehackt unter den Salat heben. Ich hatte noch Rucola vor der Tür, der machte sich nicht nur geschmacklich gut, sondern sorgte auch für appetitliche Farbspiele.
Dann richten Sie den Salat in passendem Geschirr an und öffnen einen kühlen Weißwein dazu. Es muss nicht unbedingt ein edler Tropfen sein, auch er darf sich auf Augenhöhe mit den bodenständigen Zutaten im Salat bewegen. Bei mir war es eine 0,375-Liter-Flasche Riesling aus der Wachau. Der Spargel beweist, dass er sich nicht wichtiger machen muss, als er ist. In diesem einfachen Gewand, als saisonfinaliges, einfaches Gemüse, zeigt er seine wahren Qualitäten. Am Ende der Saison wird alles gut.
Kochen ohne Musik ist schwer vorstellbar – im Probelokal lief die „Frühlingsliste“, die mich immer von April bis Juni begleitet. Kein Wunder, dass der Zufall auch den Titel „Frühling“ der Sportfreunde Stiller zum Vorschein brachte. In manchen Lebenssituationen kaum zu ertragen, passte der Song diesmal gut zum Umrühren des Salates. Gelesen habe ich zum Essen übrigens die stets interessanten WM-Sonderseiten der Wochenzeitung „Falter“.
Zutaten als rustikale Mahlzeit zur WM-Übertragung für eine sehr hungrige oder zwei halbwegs hungrige Personen: 500 Gramm Spargel (ruhig dünne Stangen und 2. Wahl), Brot vom Vortag, 100 Gramm Schinkenspeck, etwas Rapsöl, Saft einer Zitrone, etwas mehr Olivenöl als Zitronensaft, 1/2 TL Senf, 1 rote Chilischote, ein paar frische Kräuter, Salz und Pfeffer
Getränke-Tipp: Riesling, bei mir war es eine kleine Flasche der Domäne Wachau (Terrassen Federspiel 2017)
Musik-Tipp: Etwas, das nur von April bis Juni Sinn macht; fast so wie Spargel: „Frühling“ von den Sportfreunden Stiller; Album: „Burli“; Label: „Motor“, Universal
Lese-Tipp: WM-Teil der Wochenzeitung Falter – immer hintergründig und kritisch, aber mit Augenzwinkern und voller Fußballbegeisterung
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