Geschnetzeltes von Welt.
Was tun, wenn die Grenzen geschlossen sind und so mancher Urlaubstraum platzt? Ich hätte da eine Idee: Man könnte feine Weltmusik auflegen und dazu eine Speise um die Welt antreten. Das stillt auch zwischen Küche und Balkon ein wenig das Fernweh. Und das gesparte Geld lässt sich unterdessen am besten in wertvolle Lebensmittel investieren.
Auf dem Teller landet heute ein frühlingshaftes Hühner-Geschnetzeltes mit fernöstlichen Gewürzen. Klingt etwas bieder, oder? Weltbürgerlich gestimmt erlaube ich mir deshalb einen Ausflug in die Anglizismen: Es gibt ein Spring Chicken Curry. Das Wort „Spring“ steht dabei für den Frühling und einen seiner wichtigsten Botschafter, den grünen Spargel. Das Huhn hingegen springt nicht mehr weit – höchstens noch in meine Bratpfanne.
Doch wir sollten wenigstens dafür sorgen, dass das Federvieh vor dessen Ableben ordentlich springen konnte. Fleisch ist schließlich erst dann ein Genuss, wenn es maßvoll konsumiert wird und aus artgerechter Tierhaltung von regionalen Landwirten stammt.
Discount-Frechheiten
Ich kann nicht fassen, dass Fleisch in Supermärkten immer noch zu Spottpreisen erhältlich ist. Eine Handelskette warb zuletzt mit dem Schlagwort „Extrem-Aktion“ für Hühnerfilets um 7,13 Euro pro Kilogramm. Selbst Katzenfutter ist teurer als diese Edelstücke! Der Preis entspricht in keiner Weise dem Wert eines Tiers und der aufrichtigen Arbeit eines Landwirts. Mittlerweile sollte selbst dem schlichtesten Konsumenten einleuchten, dass dieser Irrsinn aus ethischen und ökologischen Gründen keine Zukunft hat.
Der Rudi war okay
Der kürzlich abgetretene Minister Rudolf Anschober hat vor einigen Wochen übrigens noch eine neue Verordnung präsentiert, die eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch, Milch und Eier in verarbeiteten Lebensmitteln und in der Gastronomie vorsieht. Allein wegen dieses Vorstoßes hätte ich diesen erfrischend anständigen Menschen gerne weiter in der Regierung gesehen.
Auch sonst zählte Anschober zu den eindrucksvollsten Erscheinungen in der Politik, selbst wenn ich den guten Mann angesichts der Nachrichtenlage kaum mehr sehen wollte. Er konnte Fehler eingestehen und hat nie schlecht über jemanden gesprochen. Das Anpatzen überließ er anderen – den eitlen Jungs, die durch keinen Skandal aus der Fassung zu bringen sind und an chronischem Größenwahn leiden. Das politische Leben ist nun einmal nicht gerecht.
Anpatzen in der Küche erlaubt
Um sich angesichts derlei Entwicklungen abzureagieren, eignet sich das Zubereiten von Geschnetzeltem vorzüglich. Man kann hacken, reiben, schneiden und tut dabei niemandem weh. Sogar das Anpatzen ist erlaubt! Mit der Sauce, versteht sich.
Bevor ich zum Rezept komme, verrate ich Ihnen ein paar Tipps, die beim Kochen von Geschnetzeltem entscheidend sind. Egal ob Sie ganz klassisch Zürcher Geschnetzeltes brutzeln oder die asiatischen Currys bevorzugen, es gelten fünf Grundregeln:
1.) Verwenden Sie weniger, dafür qualitativ erstklassiges Fleisch, das sich zum Kurzbraten eignet – ergänzen Sie mit viel saisonalem Gemüse.
2.) Nehmen Sie das Fleisch rechtzeitig vor dem Braten aus dem Kühlschrank, damit es Raumtemperatur annimmt.
3.) Braten Sie das Fleisch nacheinander in mehreren kleinen Portionen kurz bei hoher Temperatur in der Pfanne an. Die gebräunten Portionen kommen in eine Schüssel, während die nächste Portion brät.
4.) Produzieren Sie in derselben Pfanne nach dem Anbraten des Fleisches rasch das Gemüse und die Sauce. Und nun der alles entscheidende Tipp:
5.) Geben Sie das angebratene Fleisch erst kurz vor dem Servieren wieder in die Sauce – allerdings nur zum Aufwärmen bei niedriger Temperatur. Die Sauce mit dem Fleisch darf nicht mehr kochen, sonst wird das Fleisch zäh. Das ist mir oft genug passiert, ehe mir das Licht der Geschnetzelten-Erkenntnis aufgegangen ist.
Dieses Spring Chicken Curry zählt inzwischen zu den Standards im Probelokal. Die Zutaten sind leicht erhältlich (das Gemüse variiert je nach Saison), das Gericht ist rasch zubereitet und das Ergebnis schmeckt selbst den Kindern. Außerdem zieht ein herrlich-exotischer Duft durch die Küche. Es ist eben ein Geschnetzeltes von Welt.
Currypaste aus dem Weltladen
Zuerst werden Ingwer, Knoblauch und Frühlingszwiebeln geschält, fein gehackt und mit geriebener Limettenschale und Rohrzucker mit der Currypaste verrührt. Man könnte solche Currypasten selbst herstellen, ich habe allerdings im örtlichen Fair-Trade-Laden meine Lieblingsversionen entdeckt.
Wenn Sie nun die Kokosmilch-Dose öffnen, entdecken Sie an der Oberfläche festen Rahm – zwei Esslöffel davon geben Sie zur Currymischung. Dann wird der Spargel gewaschen und in Stücke geschnitten – das unterste Viertel entsorge ich. Auch das Fleisch wird geschnitten, und zwar in möglichst feine Streifen.
Nun erhitze ich die Bratpfanne, gieße einen Schuss Öl ein und brate das Fleisch portionsweise kurz und scharf an – Sie sind mit den vorhin genannten Tipps ja bereits vertraut. Mit den Spargelstücken verfahre ich ebenso. Auch sie dürfen mit dem geparkten Fleisch kurz pausieren.
Manche Sauce ist dubios
In die frei gewordene, heiße Pfanne kommt nun die Currymischung. Nach kurzem Durchrühren lösche ich mit dem Saft der Limette und der Sojasauce ab. In vielen Curry-Rezepten werden zur Verstärkung des Geschmacks Fischsaucen empfohlen. Darauf verzichte ich, weil es mir vor anonymen Tiersaucen graust und schlichtweg das Vertrauen in die Zutaten solcher Produkte fehlt. Dass sich das Wort „dubios“ auf „Sauce“ reimt, kann einfach kein Zufall sein.
Weiters gebe ich die restliche Kokosmilch dazu, bevor ich die fein riechende Mischung zwei Minuten köcheln lasse. Dann schalte ich die Temperatur zurück und wärme die Hühner- und Spargelstücke in der Sauce wieder vorsichtig auf. Außerdem kommen Salz, Pfeffer und etwas Chilipulver dazu. Dazu esse ich gerne Reis. Oder selbstgemachtes Naan – wie sie es backen, steht in der Rezeptgeschichte aus dem Vorjahr.
Weltmusik für den Mai
Dass ich mir zum würzigen Festessen feine Frühlingsmusik auflege, versteht sich von selbst. Diesmal krame ich mir drei Weltmusik-Alben hervor: Einerseits „Graceland“ von Paul Simon, das erfolgreichste Solo-Album des New Yorker Musikers, das heuer schon 35 Jahre alt wird. Jedes Jahr im Mai ertappe ich mich, wie ich die Frühlingsmelodien „Under African Skies“ oder „Graceland“ vor mich hin summe.
Dazu gesellt sich das Album „Piel de Aceituna“ der chilenischen Sängerin Mariana Montalvo, die leider vor wenigen Jahren verstorben ist. Leichte, südamerikanische Songs wie „Hombre Pequeñito“ untermalen die ersten lauen Abende dieses Jahres auf wunderbare Weise. Und schließlich wäre da noch das feine Album „Spirit“ des in Vorarlberg lebenden Südafrikaners Brendan Adams.
Alle drei Alben vertonen den Mai auf eindrucksvolle Art. Und während ich zur Musik das Curry löffle und beobachte, wie die Impfquote gemeinsam mit den Temperaturen immer weiter steigt, klettert plötzlich auch die Vorfreude auf den Sommer auf den höchsten Inzidenzwert seit mindestens zwei Jahren.
Zutaten:
2 Hühnerbrüstchen (restliches Huhn zu Hühnersuppe verkochen!), 500g grünen Spargel, kl. Stück Ingwer, 1 Knoblauchzehe, 2 Frühlingszwiebeln, 1 unbehandelte Limette, 1 Dose Kokosmilch, 1 EL Currypaste, 1 TL Rohrzucker, 2 EL Sojasauce, 2 EL Öl, Salz, Pfeffer, Chilipulver
Musik:
„Graceland“ von Paul Simon aus dem Jahr 1986, Label Warner Bros.
„Piel de Aceituna“ von Mariana Montavo aus dem Jahr 2004, Label World Village
„Spirit“ von Brendan Adams aus dem Jahr 2014, Label Love Duty Records
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