Ein bisschen Frieden.
Wie hausgemachte Focaccia und feine Musik den Krisen-Alltag auflockern
So unbeschwert hatte ich mir das Frühjahr vorgestellt. Damals, vor wenigen Wochen. Ich malte mir aus, dass mit den Infektionszahlen auch die Anspannung der letzten beiden Jahre zurückgehen würde. Scharrte in den Startlöchern, um die Sonnenbrille aufzusetzen, die Musik etwas lauter zu drehen und die Maske in den Wind zu schießen.
Dabei hätte ich wissen müssen, dass derzeit nichts nach Plan läuft. Die Masken-Nachspielzeit ist längst das geringste Übel. Inzwischen ist Krieg in Europa. Dass wir vom Weltfrieden noch weit entfernt sind, war mir zwar bewusst. Aber dass im Europa des Jahres 2022 Bomben einschlagen, hätte ich nicht gedacht. Wir werden damit zurechtkommen müssen, dass sich Krisen die Türklinke in die Hand geben. Und das Leben trotzdem weitergeht.
Backen sortiert die Gedanken
Es gibt bessere Zeiten für Wortspiele – ich will aber nicht verhehlen, dass der Begriff „Krisenherd“ in meiner Küche eine neue Bedeutung bekommen hat. Dort stehe ich nun, um die unfassbare Nachrichtenlage irgendwie zu verarbeiten. Dabei habe ich das Brotbacken wieder entdeckt. Da sind Kopf, Herz und Hand gefragt. Das genaue Abwiegen, Rühren, Würzen und kräftige Kneten sortiert die stockenden Gedanken.
Die Auseinandersetzung mit den Zutaten erweitert außerdem den Horizont: Da geht es um die Bedeutung von Grundnahrungsmitteln, die Zusammenhänge des globalen Handels und Ernährungsfragen. Und spätestens, wenn die Hefepilze ihre faszinierende Arbeit aufnehmen, steckt man mitten in der Biochemie. Das Brotbacken als kleine Etappe der Lebensuniversität.
Dazu kommt die friedensstiftende Bedeutung des Brotes. Gerade zur Osterzeit. Zwar verzweifle ich gelegentlich bei der Zubereitung, weil Teige nicht aufgehen und ich beim Flechten der Zopf-Stränge erkenne, warum aus mir kein Friseur geworden ist. Aber langsam wird es: Die ersten Roggen-Laibe, Semmeln und Zöpfe gelingen ganz passabel.
Ligurisches Fladenbrot
Heute stelle ich Ihnen mein aktuelles Lieblingsbrot vor: Eine Focaccia, das traditionelle Fladenbrot der ligurischen Küste. Am liebsten rühre ich mir eine Version, die hausgemachten Sauerteig enthält. Es dauert ein paar Tage, bis er einsatzbereit ist. Das Rezept finden Sie hier.
In einer breiten Schüssel verrühre ich das Mehl mit der Hälfte des Wassers, dem Sauerteig, der Hefe und dem Salz mit den Händen. Dann arbeite ich das restliche Wasser sowie 2 Esslöffel des Öls ein. Nach einigen Minuten des beherzten Knetens entsteht ein glatter Teig. Meist brauche ich noch einen Extra-Löffel Mehl, damit die Konsistenz passt. In seltenen Fällen noch ein paar Tropfen Wasser. Sollten Sie Ihre Hände von der Kneterei verschonen wollen, können Sie die genannten Schritte auch mit dem Knethaken in der Küchenmaschine erledigen. Beim manuellen Kneten lässt sich das Weltgeschehen allerdings besser verarbeiten.
Dann formen Sie den Teig zu einer Kugel, streuen ein wenig Mehl darüber und decken sie mit einem leicht angefeuchteten Küchentuch ab. Dann warten Sie eine Stunde, bis der Teig ein wenig aufgegangen ist. Drücken Sie ihn zusammen und lassen Sie ihn nochmals bis zu zwei Stunden unter dem Tuch in Ruhe seines Amtes walten. Nun legen Sie ein Blech mit Backpapier aus, legen den Teig darauf und ziehen ihn zu einem Fladen auseinander.
Dann heißt es wieder warten: Unter dem feuchten Tuch ruht der Teig ein letztes Mal, und zwar wieder für rund zwei Stunden. Nun heizen Sie den Backofen ordentlich ein – und zwar auf 230° Umluft. Entfernen Sie das Tuch, drücken Sie mit Ihren Fingern Vertiefungen in den Teig und tröpfeln Sie das restliche Olivenöl dort hinein.
Das Oliven-Statement
Bevor das Blech in den Ofen kommt, ergreife ich eine Handvoll Oliven und damit die Chance, den Teig mit dem politischen Statement meiner Wahl zu belegen. Damit setze ich auf der österlichen Tafel ein Zeichen. Das kann das Friedenssymbol sein, wie auf dem Bild. Passend fände ich auch die Europa-Flagge. Oder eine Emoji, das Ihre Stimmungslage abbildet.
Dann streue ich noch etwas grobes Meersalz auf den Teig, stelle eine feuerfeste Form mit Wasser in den heißen Ofen (falls Sie einen Dampfbackofen verwenden, stattdessen 30% Feuchtigkeit einstellen) und schiebe das Blech hinein. Nach rund 20 Minuten ist die Focacca leicht gebräunt. Dann darf sie aus dem Ofen.
Das lauwarme Fladenbrot schmeckt schon pur ausgezeichnet. Aber erst recht, wenn es halbiert und mit feinen Zutaten belegt wird. Mein Lieblings-Upgrade mit hausgemachter Mayonnaise, Huhn, Pilzen, Feldsalat, Randig, Champignons, Kren und Ei führt zu einem Club-Sandwich der Extraklasse, von dem locker sechs Personen satt werden.
Dazu brate ich mir zuerst zwei Hühnerbrüstchen (das Rezept finden Sie hier), lasse sie abkühlen und schneide sie in dünne Streifen. Zwei Rote-Bete-Knollen werden ungeschält – je nach Größe in 30 bis 45 Minuten – im zugedeckten Topf mit Wasser weichgekocht und nach dem Abkühlen geschält und dünn geschnitten. Die Eier werden zehn Minuten hartgekocht, dann abgeschreckt und geschält.
Die Champignons werden gewaschen, in dünne Scheiben geschnitten und bei hoher Temperatur in etwas Rapsöl gebraten, mit etwas Zitronensaft abgelöscht und mit Salz und Pfeffer gewürzt. Der Feldsalat wird gewaschen und kurz vor dem Anrichten mit etwas Olivenöl, Zitronensaft, Salz und Pfeffer mariniert.
Dann halbiere ich die Focaccia, bestreiche sie mit hausgemachter Mayonnaise (das Rezept finden Sie hier), lege dünn geschnittene Hühnerbrust-Streifen wie Dachziegel darauf, dann den Randig, die Eier, den Feldsalat und die Champignons. Darüber reibe ich noch viel frischen Kren, bevor ich den Deckel darauflege. Zu guter Letzt schneide ich das riesige Focaccia-Club-Sandwich in mehrere Teile. Bei Tisch wird es nun symbolträchtig unter den Gästen verteilt.
Musik zur aktuellen Lage
Nicht nur das gemeinsame Brotessen ist friedensstiftend. Auch die Musik verbindet. „Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder“, heißt es, „denn böse Menschen haben keine Lieder“ (Ausnahmen bestätigen die Regel). Da während der Ruhephasen des Teiges viel Zeit entsteht, widme ich mich dann den Liedern, die vom Frieden handeln.
Das Erste in meiner Sammlung war „Ein bisschen Frieden“ von Schlagersängerin Nicole. Die Single-Schallplatte kostete bei Funkberater Lampert übrigens 49 Schilling (50 mit Plastikhülle). Doch es gibt auch einschlägige Musik, die selbst im Erwachsenenalter noch Freude macht. John Lennon hat mit „Give Peace A Chance“ und „Imagine“ Maßstäbe gesetzt. Und Bonos Engagement mit U2 ist hoch einzuschätzen, auch wenn er mir manchmal auf die Nerven geht.
Nie wieder Krieg!
Sehr kraftvoll setzt sich Patti Smith mit sozialen Themen auseinander: Ihr simples „People Have The Power“ wurde auch von Größen wie Michael Stipe oder Bruce Springsteen gecovert. Auf die Musik-Szene ist eben Verlass, wenn es um das Benennen von Missständen und die Sehnsucht nach Frieden geht.
So auch auf Reinhard Mey. Er sang unter anderem „Alle Soldaten woll’n nach Haus“, was bestimmt auch für die jungen Menschen an den heutigen Fronten gilt. Und Tocotronic laufen mit ihrem einprägsamen „Nie wieder Krieg!“ derzeit auf Hot Rotation. Wie recht sie haben!
Oft summte ich das Lied „Zombie“ der Cranberries mit, bevor mir klar wurde, dass dabei der Nordirland-Konflikt besungen wird. Setzt man sich mit den Hintergründen auseinander, wachsen viele Songs über sich hinaus. So ist das auch bei „Waiting For A War“, das die Foo Fighters erst letztes Jahr veröffentlichten.
Darin verarbeitet Autor Dave Grohl seine Kindheit im Kalten Krieg und die damit verbundene Unsicherheit. Er ahnte offenbar, was wieder in der Luft liegt. Dass nun auch noch Schlagzeuger Tayler Hawkins mit nur 50 Jahren versterben musste, ist traurig. Und passt zur derzeitigen Situation, in der das Übel immer noch ein kleines Schäufelchen dazu legt.
Zum Ausklang empfehle ich Ihnen noch zwei herausragende Doppelalben der Menschlichkeit – einerseits „Chimes Of Freedom“, das zum 50jährigen Jubiläum von Amnesty International erschienen ist. Eine Reihe an Künstlerinnen und Bands interpretieren darauf Kompositionen von Bob Dylan – etwa die Queens Of The Stone Age („Outlaw Blues“) oder Adele („Make You Feel My Love“). Ähnliches Engagement spüre ich beim globalen Musikprojekt „Playing For Change“. Musiker aus aller Welt spielen dabei etwa auch den legendären „Redemption Song“.
Hoffen wir, dass nach diesen Monaten, die sich wie ein langgezogener Karfreitag anfühlen, bald die Osternacht kommt. Und wenigstens ein bisschen Frieden einkehrt. Begleitet von frischem Brot und guter Musik, die zuversichtlich stimmt.
Zutaten:
Focaccia: 500 Gramm Weizenmehl (Typ W700), 320 Milliliter lauwarmes Wasser, 100 Gramm flüssiger (oder 25 Gramm trockener) Sauerteig, 10 Gramm frische Hefe, 10 Gramm Salz, 5 Esslöffel Olivenöl, 100 Gramm entsteinte Oliven, etwas grobes Meersalz, zum Bearbeiten noch etwas Mehl. Im Idealfall noch ein wenig Knoblauch-Paste zum Bestreichen der lauwarmen Focaccia (siehe hier)
Lieblings-Füllung des Club-Sandwiches im April: 2 Hühnerbrüstchen, 2 Esslöffel Mayonnaise, 4 Eier, 2 kleine Knollen Rote Bete, 200 Gramm Champignons, ein Esslöffel geriebener Kren, 100 Gramm Feldsalat oder Rucola, etwas Zitronensaft, Olivenöl, Salz und Pfeffer
Focaccia ohne Sauerteig: 500 Gramm Weizenmehl (Typ W700), 20 Gramm frische Hefe, 290 Milliliter Wasser, 10 Gramm Salz, 5 Esslöffel Olivenöl, 100 Gramm entsteinte Oliven, etwas grobes Meersalz, zum Bearbeiten noch etwas Mehl. Zubereitung: Hefe im lauwarmen Wasser auflösen. Mehl, Salz und Öl in der Küchenmaschine verkneten und Hefewasser langsam dazugießen. Einige Minuten kneten, dann abgedeckt eine Stunde gehen lassen. Dann Teig auseinanderziehen und auf ein mit Backpapier ausgelegten Blech legen, Vertiefungen in den Teig drücken und etwas Olivenöl darin verteilen. Mit Oliven belegen, mit Meersalz bestreuen und Ofen auf 200 Grad vorheizen. Nach einigen Minuten Gehzeit im Ofen für 20 Minuten backen.
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