Genug vom Besten.
Heute gibt’s weder Vitamine noch wertvolle Mineralstoffe. Und schon gar keine Belehrung in Sachen gesunder Ernährung. Diese Tarte ist quasi der alte, weiße Mann unter den Kuchen. Mit politisch korrektem Essen hat sie nichts zu tun. Fettig ist sie, süß und salzig. Weder Zahnärztin noch Diätologe haben ihre Freude. Aber ich! Und wie!
Schon klar, dass es diesen Kuchen nicht jede Woche gibt. Dafür ist er zu üppig und zu gut. Doch in Zeiten, in denen Gejammer zum guten Ton gehört und schimpfende Populisten wieder einmal zum Höhenflug ansetzen, darf es zwischendurch ein richtiger Schmackofatz sein. Damit wir ja nicht vergessen, wie schön das Leben ist.
Die Idee für diese Tarte stammt aus dem fantastischen Buch „Larousse Schokolade“. Ich habe das Rezept mehrfach ausprobiert und abgewandelt. Die Tarte ist mir übrigens erst beim dritten Versuch optimal gelungen. Einmal wurde die Schokolade-Crème zu hart und dann geriet das Karamell zu flüssig.
Erstaunlich, dass die Begeisterung der Kinder von Mal zu Mal nachließ – war es am Anfang noch der sensationelle Kuchen, der wie eine Kombination aus Snickers, Twix und Daim schmeckte, mutierte er bei der dritten Version bereits zum Ladenhüter. Man bekommt eben vom Besten genug.
Johnny und seine Gitarre
Beim rettenden, dritten Back-Versuch stand ich alleine in der Küche – das kommt im turbulenten Familienleben selten vor. Ich nutzte die Gunst der Stunde, drehte die Musikanlage auf und aktivierte die Zufalls-Funktion meiner Gute-Laune-Liste. Aus den Boxen donnerte „The Boy With The Thorn In His Side“ von The Smiths. Entzückt von seinem charakteristischen Spiel musste ich mir das Solo-Album von Smiths-Gitarrist Johnny Marr zulegen („Fever Dreams Pts. 1-4“). Es ist der Soundtrack für meine Tarte-Festwochen geworden, und der Song „Spirit Power And Soul“ geht mir derzeit nicht mehr aus den Ohren.
Zuerst die Grundlagen-Arbeit
Beschwingt widme ich mich zunächst dem Mürbteig, der die Grundlage der Tarte bildet. Ich bereite ihn meist schon am Vortag zu. Dazu verrühre ich Butter, Zucker, Mehl, Salz und Nüsse mit der Küchenmaschine oder den Quirlen des Handmixers. Dann schlage ich das Ei dazu und verknete rasch den Teig. Eingeschlagen in eine Folie stelle ich die Teigkugel für ein paar Stunden kühl.
Dann schneide ich die Kugel auseinander. Die eine Hälfte rolle ich – bestaubt mit etwas Mehl – mit einem Nudelholz aus. Falls es klebt, kommt etwas Mehl ins Spiel. Dann hebe ich die max. 5 Millimeter dicke Teigplatte in die mit etwas Butter ausgestrichene Tarte-Form. Die Seiten werden gut angedrückt, überstehender Teig wird abgeschnitten und mit einer Gabel wird der Boden mehrmals eingestochen.
Anschließend lege ich ein rundes Stück Backpapier auf den Tarte-Boden und belege das Papier mit Hülsenfrüchten. Das mache ich, damit der Teig im Backofen nicht aufgeht. „Blindbacken“ nennt man diesen Vorgang, aber schließen Sie dabei bitte nicht die Augen. Die Tarte wird im Ofen bei 160° Umluft für 20 Minuten gebacken. Anschließend entferne ich das Backpapier und die Hülsenfrüchte, damit der Boden auskühlen kann. Die Hülsenfrüchte verwende ich übrigens immer wieder – sie warten im Küchenschrank stets sehnsüchtig darauf, zum Blindbacken herangezogen zu werden.
Den zweiten Teil der Mürbteig-Kugel rolle ich ebenso aus, aber aus ihm steche ich kleine Kekse aus, die ich auf einem Blech mit Backpapier rund 10 Minuten backe. Mein jüngster Sohn isst nämlich keine gefüllte Tarte, die ist ihm zu pompös. Aber pure, knusprige Kekse „mit ohne allem“, die mag er fürs Leben gern. Nicht nur im Advent.
Es geht an die Füllung
Für das Karamell erhitze ich den Zucker in einem Topf. Nicht allzu heiß soll es sein, mittlere Stufe genügt. Es dauert ein wenig, bis der Zucker zu schmelzen beginnt. Dann gieße ich den Ahornsirup dazu, danach zerlasse ich die Butter und gieße danach den Rahm dazu. Die köstliche Mischung köchle ich nun unter Rühren für exakt zwei Minuten, damit auch die noch festen Karamell-Stückchen wieder flüssig werden. Dann nichts wie runter vom Herd!
Ist die Mischung auf Zimmertemperatur abgekühlt, gieße ich das etwas zähflüssiger gewordene Karamell auf den Tarte-Boden. Darüber streue ich die grob gehackten Nüsse. Dann kommt die Tarte in den Kühlschrank oder – falls es draußen kalt ist – auf die Terrasse. Dabei wird das Karamell fest.
Zum Finale widmen wir uns der Schokoladen-Crème. Ich hacke die Schokolade und parke sie in einer Rührschüssel. Den aufgekochten Rahm gieße ich in zwei, drei Etappen über die Schokolade. Dazwischen rühre ich um, damit eine fein-crèmige Masse entsteht, die ich über die Karamellschicht in die Tarte gieße. Und wieder kommt der Kuchen in den Kühlschrank oder auf die Terrasse, damit die oberste Schicht fest wird. Gerne dekoriere ich mit Karamell-Fäden oder karamellisierten Nüssen.
Genuss wird empfohlen
Es ist ein Vergnügen, die Tarte anzuschneiden und die nusskaramellschokoladige Kombination auf der Zunge zergehen zu lassen. Gerade in angespannten Zeiten ist es wichtig, zwischendurch genüsslich zu schwelgen. Das passt den populistischen Schimpfern, egal sie sich am rechten oder linken Rand herumtreiben, gar nicht. Wut und Verbitterung vertragen sich nicht gut mit freudigem Genuss.
Eigentlich können sie einem ja leidtun, die Rechtspopulisten unter den Politikern. Nie dürfen sie sich entspannt und fröhlich zeigen, immer müssen sie die empörten Beleidigten geben, um möglichst viele Verbitterte, Unzufriedene und Verunsicherte um sich zu scharen.
Die Erkenntnis, dass Burschen dieses Schlages den Menschen noch nie aus ihrem Dilemma geholfen haben, ist leider noch nicht in die einschlägigen Telegram-Gruppen durchgesickert. Es geht leider ohnedies nur darum, liberale Demokratie, Rechtsstaat und europäischen Zusammenhalt ins Wanken zu bringen. Da heißt es: Wachsam bleiben, größer denken, Menschlichkeit bewahren und zwischendurch zu genießen. Die (weitgehend schweigende) Mehrheit denkt zum Glück auch so. Also, ran an die Tarte!
Zutaten für eine Tarte-Form (24 cm):
Mürbteig: 150 g zimmerwarme Butter, 80 g Staubzucker, 20 g Vanillezucker, 250 g Mehl, 1 Prise Salz, 30 g geriebene Walnüsse, 1 Ei
Karamell: 100 g Feinkristallzucker, 20 ml Ahornsirup, 25 g Butter, 100 ml Rahm, 100 g gesalzene, geröstete Erdnüsse
Schokoladen-Crème: 240 g Schokolade (40 % Kakaoanteil), 150 ml Rahm
Musiktipp:
Album „Fever Dreams Pt. 1-4“ von Johnny Marr
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