Mit Grandezza durch den Herbst.
Es gibt Dinge, die polarisieren. Und ich meine jetzt nicht das Impfen oder das Gendern, auch nicht die kulinarischen Ansichten des österreichischen Bundeskanzlers. Sondern das Eintunken. Es gibt nämlich fast nichts Süßes, das ich nicht in Kaffee oder heißer Schokolade tränke. Egal ob Riebel, Croissants oder Biskotten – nichts ist vor meiner Tunkerei sicher.
Einige wenige lieben das, doch für viele andere ist das Eintunken schlichtweg kulinarischer Frevel. Meine Kinder schlagen stets die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie mich dabei erwischen, wie ich wieder einen Keks in die Tasse tauche. Dabei gehört das bei manchem Gebäck einfach dazu.
Etwa bei Cantuccini, den doppelt gebackenen Mandelkeksen aus dem nördlichen Italien. Sie werden traditionell in Vin Santo getunkt, einem Süßwein, der aus getrockneten Trauben hergestellt wird. Ich versenke die knusprigen Kekse lieber in rabenschwarzem Espresso. Begleitet von feiner Lektüre und italienischen Liedern verbreitet sich so ganz pronto ein erhebendes Gefühl von Grandezza.
Flott zubereitet
Zubereitet sind die Kekse im Nu: Geben Sie das Mehl mit den Mandeln, Backpulver, Zucker, Vanillezucker sowie der weichen Butter in eine Rührschüssel. Dazu schlagen Sie die Eier, auch die Schale der Zitrone wird dazu gerieben. Es folgt ein beherzter Schuss des Likörs, bevor der Teig gut verknetet und eine Stunde im Kühlschrank gelagert wird. Übrigens: Statt mit Mandeln können die Cantuccini auch mit Haselnüssen oder Kürbiskernen zubereitet werden – die Varianten finden Sie am Ende dieses Textes.
Danach formen Sie drei schlanke Teigrollen, die Sie auf ein Blech mit Backpapier legen. Diese werden nun bei 180 Grad Ober- und Unterhitze rund 25 Minuten gebacken. Dann nehmen Sie das Blech aus dem Ofen. Nach fünf Minuten Ruhepause schneiden Sie den Teig in 1 bis 1,5 cm dicke Scheiben, die auf dem Blech nochmals für gut 5 Minuten im Rohr knusprig fertiggebacken werden.
Und während die knusprige Köstlichkeit nun ein wenig auskühlt, koche ich meinen Lieblings-Espresso. Natürlich stilgerecht in der guten, alten Mokka-Kanne. Immer, wenn der Herbst ins Land zieht, lasse ich eine großzügige Prise Kaffeegewürz über die gemahlenen Bohnen rieseln. Das stellt der marokkanische Gewürzhändler stets gekonnt zusammen. Die subtile Note aus Zimt, Kardamom, Muskat und Nelke stimmt mich auf die kühlere Jahreszeit ein.
Beilagen zum Lesen und Hören
Und wenn Sie dann gemütlich tunken und knuspern, während die Sonne tiefer steht und das klare Herbstlicht über die Lande zieht, dann fehlen nur noch ein gutes Buch und feine Musik zum Oktober-Glück. Ich empfehle das Buch „Ein Bauch spaziert durch Venedig“ des Kochs und Autors Vincent Klink. Vergangenen Sommer habe ich es mit Hochgenuss verschlungen. Das Buch hat mich zum Cantuccini-Backen inspiriert und die Sehnsucht nach einer Reise ins Veneto gesteigert. Dazu passt das Album „Vintage Italia“ des Labels Putumayo mit elf teils nostalgischen Canzoni.
Wobei: Aus den Boxen im Kinderzimmer dröhnte übrigens den ganzen Sommer der Klassiker „Sara perchè ti amo“ von Ricchi e Poveri, einer Italo-Pop-Gruppe, die Ende der 60er Jahre in Genua gegründet wurde. Ich wunderte mich zunächst, warum dieser Sommer-Schlager plötzlich wieder en vogue ist, denn in den letzten Jahren hörte ich ihn höchstens in einer mittelmäßigen Pizzeria bei gummiartigem Panna Cotta.
Inzwischen weiß ich, dass das Revival des Liedes den Fans des AC Mailand zu verdanken ist. Sie haben diesen Song im letzten Jahr ganz einfach zur Tribünen-Hymne gemacht. Seither singen tausende Tifosi diesen Schlager. Und irgendwann landeten Ricchi e Poveri dann wieder in den Charts. Und irgendwann auch im Vorarlberger Kinderzimmer.
Die Kinder singen „Sara perchè to amo“ inzwischen auswendig, natürlich ohne den Inhalt zu verstehen. Ein Glück, dass der Text nicht von Till Lindemann oder Alice Cooper stammt. Bei „Sara perchè ti amo“ geht es schlichtweg um das merkwürdige Gefühl der Liebe. Beschrieben in einfachen Schlager-Worten. So, wie es immer war und immer sein wird.
Zutaten:
250 g Weizen- oder Dinkelmehl, 50 g gehackte Mandeln, 50 g ganze Mandeln, 1 TL Backpulver, 1 Bio-Zitrone, 150 g Zucker, 1 TL Vanillezucker, 50 g weiche Butter, 2 Eier, einen Schuss Mandellikör
Haselnuss-Variante: 250 g Weizen- oder Dinkelmehl, 50 g gehackte Haselnüsse, 50 g ganze Haselnüsse, 1 TL Backpulver, 1 Bio-Zitrone, 150 g Zucker, 1 TL Vanillezucker, 50 g weiche Butter, 2 Eier, einen Schuss Haselnusslikör
Kürbiskern-Variante: 250 g Weizen- oder Dinkelmehl, 50 g gehackte Kürbiskerne, 50 g ganze Kürbiskerne, 1 TL Backpulver, 1 Bio-Zitrone, 150 g Zucker, 1 TL Vanillezucker, 50 g weiche Butter, 2 Eier, einen Schuss Kürbiskernöl
Buch- und Musiktipp:
„Ein Bauch spaziert durch Venedig“ aus dem Jahr 2022 von Vincent Klink, Verlag Rowohlt
„Vintage Italia“ aus dem Jahr 2017, Label Putumayo
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