Ring of fire.
Den Kindern zuliebe kehrte ich kürzlich in ein Fast-Food-Restaurant zu. Da es spießig wäre, kopfschüttelnd zuzusehen, wie die Jugend den väterlichen Ernährungstipps zum Trotz genüsslich Burger, Pommes und Cola in sich hineinstopft, spielte ich das kulinarische Trauerspiel mit. Und bestellte ich mir anstandshalber eine große Portion gebackener Zwiebelringe, um sie in süße Chili-Sauce einzutunken.
Genuss war das keiner: Ich aß offenbar keine richtigen Zwiebelringe, sondern eine undefinierbare Masse, die in einheitliche Ringe gepresst wurde. Fake ist nie gut, egal ob es Fake News sind oder Fake Onions. Es ist zum Verzwiefeln. Am Folgetag panierte ich im Probelokal deshalb echte Zwiebelringe. Und rührte mir dazu eine richtig scharfe Sauce aus frischen Chilischoten an.
Mehr Zucker- als Chilisauce
Dazu schnitt ich die Chilis und den Knoblauch feinwürfelig und ließ sie mit Zucker – ja, beängstigend viel Zucker –, Essig, Wasser und Salz in einem Topf einige Minuten köcheln. Dann verrührte ich die Maisstärke mit einem Schuss kalten Wasser und goss sie zur heißen Chili-Mischung. Nach wenigen Minuten wurde die Sauce unter regelmäßigem Rühren etwas dickflüssiger, wunderbar. Letztlich gab ich noch die Sojasauce und Sesam dazu und stellte den Topf zur Seite.
Herr der Ringe
Dann verrührte ich den Zitronensaft mit Salz, Pfeffer und Paprika in einer großen Schüssel. Um die Zwiebeln zu schälen, spülte ich sie kurz mit Wasser ab, denn dann lässt sich wenige Minuten später besser die Haut abziehen. Die geschälten Zwiebeln schnitt ich in ca. 1 cm dicke Scheiben. Danach spielte ich Herr der Ringe, als ich die Scheiben in Ringe vereinzelte und in der Schüssel mit Zitronensaft und Gewürzen marinierte.
Dann stellte ich eine Schüssel mit Mehl, eine mit verquirlten Eiern und Rahm sowie eine mit den Bröseln bereit. Das Öl oder Butterschmalz erhitzte ich in einem hohen Topf auf rund 170°. Die Zwiebelringe wendete ich zuerst in Mehl, danach tauchte ich sie in die Eier-Rahm-Mischung, um sie schließlich in den Bröseln zu wälzen – so genüsslich, wie sich die zugelaufene Katze auf dem Terrassenboden wälzt, den die Herbstsonne aufgewärmt hat.
Portionsweise ließ ich die panierten Ringe nun ins heiße Öl gleiten. Nach max. 3 Minuten pro Portion wurden die Ringe unter Wenden goldbraun gebacken, auf Küchenpapier abgetropft und mit der Sauce serviert. Wenn ich mir die Arbeit und den Geruch in der ganzen Wohnung schon antue, backe ich mir immer auch gleich Champignons. Anstatt Zwiebeln werden kleine bzw. halbierte Pilze paniert und gebacken.
Musik für den November-Nebel
Wenn im November der Nebel aufzieht, hole ich mir immer die Alben von Nick Cave aus dem Plattenschrank. In den traurig-schönen Liedern des Ausnahme-Künstlers kann man sich im Herbst besonders gut suhlen. Etwa in der Ballade Sad Waters oder im alt-ehrwürdigen Ship Song, den er vor 34 Jahren veröffentlicht hat.
Der österreichische Liedermacher Ernst Molden hat zu dieser Zeit einen Workshop mit Nick Cave besucht und kürzlich in der ZEIT beschrieben, was er vom Australier gelernt hat: „Es gibt keinen wahrhaftigen fröhlichen Lovesong. Alle wahrhaftigen Lovesongs müssen eine traurige Note haben, weil Liebe nicht ewig dauern kann … das Wissen um die Endlichkeit des noch so schönen Zustands macht den Song schon melancholisch, und dann stimmt er. Wer das leugnet, ist verlogen, hat Cave gesagt.“
Wobei das neue Album Wild God ja regelrecht fröhlich und richtig hoffnungsvoll klingt. Kürzlich konnte ich Nick Cave und seine Band „The Bad Seeds“ in Zürch live erleben. Was für ein Ereignis! Traurig, schön, nachdenklich, hoffnungsvoll – ein Abend wie das pure Leben.
Wohl dosierter Glockenschlag
Ein besonderer Höhepunkt ist bei jedem Konzert das legendäre Lied Red Right Hand, das langsam und geheimnisvoll vor sich hin trabt. Charakteristisch ist, dass an prägnanten Stellen des Liedes ein markanter Glockenschlag ertönt. Wohldosiert und zelebriert vom Percussionisten der „Bad Seeds“, John Sclavunos, wie auch die Live-Aufnahme von Red Right Hand zeigt.
Ich habe mir einen seltsamen Tick angewöhnt: Immer dann, wenn ich dieses Lied summe, und sei es auch nur in Gedanken, fühle ich mich genau in dem Moment, an dem die Glocke ertönt, gezwungen, einen ähnlichen Klang zu erzeugen. Das kann im Zug sein, wenn ich mit dem Ring am Finger dezent an eine Säule klopfe. Oder im Kaffeehaus, wenn ich mit einem Stift die Tasse zum Klingen bringe. Niemand merkt etwas davon. Außer, ich schlage zu laut zu. Der Effekt blieb bis jetzt mein Geheimnis. Nun ist es raus.
Allein im Sandkasten
Mit frisch gebackenen Zwiebelringen und den Klängen von Nick Cave lehne ich mich im November ein wenig zurück. Um etwa mitzuverfolgen, wer das Präsidentschaftsrennen in den USA macht. Oder dabei zuzusehen, wie sich in Österreich der selbsternannte Volkskanzler, der von über 70 % des Volkes gar nicht gewählt wurde, wundert, dass niemand mit ihm regieren will. Dabei hat der Rechtsaußen-Parteichef zuletzt keine Gelegenheit ausgelassen, die politischen Mitbewerber zu verhöhnen und sie als angebliche „System-Parteien“ zu verunglimpfen.
Wir haben zuhause, aber spätestens im Kindergarten gelernt, dass man respektvoll miteinander umgeht, auch wenn man nicht einer Meinung ist. Wer ständig die Sandburgen der anderen zerstört, sollte sich nicht wundern, wenn er irgendwann alleine im Sandkasten sitzt.
Zutaten:
Zwiebelringe: 3 mittelgroße Zwiebeln, Salz, Pfeffer, geräuchertes Paprikapulver, Saft einer halben Zitrone, 2 Eier, 1 Schuss Rahm, 60 g Mehl, 100 g Panko-Brösel, ½ Liter Bratöl oder Butterschmalz
Chilisauce: 3 rote Chilischoten, 200 g Rohrzucker, 80 ml Weißwein-Essig, 100 ml Wasser, 2 Knoblauchzehen, 1 TL Salz, 2 EL Sojasauce, 1 EL Maisstärke, 1 TL Sesam
Musiktipp:
Album „Wild God“ von Nick Cave and The Bad Seeds aus dem Jahr 2024, Label PIAS
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