Glänzende Neujahrs-Suppe.

Ein Hoch auf Suppe, Musik und echten Journalismus

Es ist schon eine gute, alte Tradition zum Jahreswechsel: Während die Wiener Philharmoniker im Goldenen Saal des Musikvereins zum Neujahrskonzert ansetzen, setze ich in der schlichten Küche des Probelokals einen großen Topf goldener Rindssuppe an. Schließlich sollte man dem Start ins neue Jahr etwas Glanz verleihen.  

Noch etwas hat Tradition in dieser besonderen Zeit: Ich arbeite mich wie immer durch den Stapel an Zeitungen, der sich im Laufe des vergangenen Jahres gebildet hat. In der Hektik von 2024 fehlten schlichtweg Zeit und Muße, um sämtliche Ausgaben zu lesen. Manch vielversprechenden Artikel legte ich zur Seite. Jetzt ist die Zeit da, um das Lesen nachzuholen. Und dank der Ferien gibt es auch die nötige Muße.

Zeitungsliebe
Beim Querlesen und Durchstöbern merke ich, wie gut es ist, dass es ambitionierte Zeitungen gibt. Sie erklären mir das unübersichtliche Weltgeschehen. Im Gegensatz zum uferlosen Web haben sie einen Anfang und ein Ende. Wer sie aufschlägt, liest denselben Inhalt. Auch Artikel, die mir der Algorithmus im Web vorenthalten hätte. Geschrieben von Journalistinnen und Journalisten, die aus einer Flut an Informationen eine relevante Auswahl treffen, Hintergründe beleuchten und auch komplexe Themen einordnen.

Soziale Medien interessiert das Gegenteil: Sie verstärken gerne den Unmut, verbreiten in Sekundenschnelle das, was Klicks bringt oder gesponsert wird, selbst wenn der Inhalt hasserfüllt ist oder krude Meinung als Wahrheit verkauft wird. Erstaunlich, dass der österreichische Bundeskanzler unlängst ausgerechnet Elon Musk für die Meinungsfreiheit auf seiner Plattform X lobte. Dabei setzen gerade diese Art von Medien unsere liberalen Demokratien massiv unter Druck.

Knochen sind die Hauptzutat für den großen Topf Suppe.

Suppen-Parade zum Jahreswechsel
Das heurige Neujahrsrezept widme ich deshalb allen seriösen Journalistinnen und Journalisten. Da es an den Feiertagen schon genügend opulente Festessen gab, koche ich nun etwas Leichtes und Einfaches. Nämlich frische, heiße Suppe. Sie hilft auch, den Jänner gut zu überstehen. 

Denn es und bleibt ist der zähste Monat des Jahres – die langersehnten Feiertage gehen wieder vorüber, die Festbeleuchtung wird bald abgebaut und sommerliche Leichtigkeit ist längst nicht in Sicht. Rechnungen flattern ins Haus, der nächste Zahnarztbesuch steht an (die Kekse!). Und weder die Angelobung Donald Trumps, der neue Modus der Champions League noch die Suche nach Regierungsmehrheiten in Wien oder die Neuwahlen in Berlin sind Anlässe zur Freude.

Selbst gekochte Rindssuppe hilft da ungemein. Sie verlangt kein teures Filet, sondern nur Knochen und Abschnitte. Kein eingeflogenes Edelgemüse wie Spargel, sondern nur gelagertes Wurzelgemüse. Rindssuppe ist preiswert und leicht zu machen, sie wärmt und schmeckt einfach großartig.

Ein harter Knochen
Zum Start des Suppenkochens waschen Sie die Knochen kalt ab. Erhitzen Sie sie – bedeckt mit Wasser – in Ihrem größten Topf. Sobald es kochen beginnt und grau-brauner Schaum aufsteigt, seihen Sie die Knochen ab und erhitzen Sie sie erneut – wieder bedeckt mit kaltem Wasser. Dann dürfen die Knochen leise vor sich in köcheln, ehe sich nach einigen Minuten das Siedfleisch dazu gesellt. Dabei handelt es sich um ein durchzogenes, nicht allzu wertvolles Stück Rindfleisch, das der Suppe einen wunderbaren Geschmack verleiht, sich aber nur bedingt zum Essen eignet. An besonderen Tagen koche ich auch ein Stück Tafelspitz mit, um mir an den Folgetagen feinen Rindfleischsalat zu zaubern. Aber dazu später.

Die angehende Suppe sollte nur leise dahin simmern und nicht zu stark kochen. Zwischendurch sollten Sie immer wieder den aufsteigenden Schaum abschöpfen. Das geht mit einem durchlöcherten Schaumlöffel am besten. Nach einer halben Stunde geben Sie das gewaschene und gehacktes Gemüse und Gewürze dazu. Die Mischung lassen Sie nun für zwei Stunden leise köcheln. Viel mehr ist nicht zu tun. Schlichtes Wasser, Knochen und Gemüse verwandeln sich in großartige Suppe – ein kleines Küchenwunder, das sich vor Ihrer Nase ereignet.

Fehlen frische Kräuter, verfeinern die Trocken-Kräuter aus dem elterlichen Garten die Rindssuppe.

Musik zum Warten
Die Wartezeit widmen Sie am besten der Musik. Die Wiener Philharmoniker klingen an Festtagen natürlich grandios, aber im Alltag ist mir dann neuer Sound doch näher, als Walzerkönig Johann Strauß. Ich höre mich nochmals durch meine Lieblingsalben des vergangenen Jahres. Einige kennen die Leser dieser Seite bereits, etwa „Wild God“ von Nick Cave & The Bad Seeds oder „Moon Mirror“ von Nada Surf.

Inzwischen habe ich mich auch mit „Sincerely, Thees Uhlmann“ von Tomte-Sänger Thees Uhlmann oder „Only God Was Above Us“ der New Yorker Band Vampire Weekend sehr gut angefreundet. Und erst recht mit „Woodland“, dem neuen Album der großartigen Gillian Welch und ihrem kongelialen Musik-Partner David Rawlings. Solange in den USA solche Alben mit Liedern wie Empty Trainload of Sky oder Hashtag erscheinen, ist das große Land nicht verloren.

Zurück zur Suppe
Falls Sie ein Stück Rindfleisch mitgekocht haben, dann heben Sie es nun aus der Suppe. Wenn Sie es gleich dicht in Frischhaltefolie einwickeln, verfärbt sich das Fleisch nicht unnötig grau. Das abgekühlte Fleisch schneide ich meist erst am Folgetag in dünne Streifen, um es mit Käferbohnen, Zwiebel und Paprika zu einem Rindfleischsalat zu rühren. Mariniert mit einer Mischung aus Pfeffer, Salz, ein paar Löffeln Rindssuppe, Apfelessig und Kürbiskernöl. Ein Leibgericht!

Seihen Sie die Suppe ab und salzen Sie sie. Vorsicht beim Verkosten: Ich verbrenne mir regelmäßig die Zunge, da ich nicht erwarten kann, sie zu probieren. Die Knochen und das verkochte Gemüse entsorge ich, sie haben ihren wertvollen Dienst getan und ihren Geschmack abgegeben. Einen Teil der abgekühlten Suppe friere ich portionsweise ein. Einen weiteren Teil verarbeite ich an den Folgetagen in Risotto, Gulasch oder Marinade für Kartoffelsalat. Erstaunlich, wie groß der geschmackliche Unterschied zwischen selbst gekochter Suppe und gekauftem Suppenpulver ist. Dazwischen liegen kulinarische Welten.

Rote-Bete-Suppe: Nur eine der unzähligen Möglichkeiten, Rindssuppe zu veredeln.

Einen Teil der frischen Brühe genehmige ich mir natürlich sofort. Man kann sie entweder zu Crèmesuppen weiterverarbeiten und erhält hervorragende Ergebnisse – auf dieser Seite habe ich schon Rote-Bete-Suppe, Kartoffel-Pilz-Suppe, Schwarzwurzel-Suppe oder Krensuppe zubereitet. Mit einem Stück Brot wird daraus eine wertvolle Mahlzeit.

Oder man belässt sie einfach pur mit ihrem goldenen Schimmer. So schmeckt sie mir derzeit am besten. Gerne mit einem Berg gebackener Grießknödel als Einlage. Oder natürlich mit Frittaten. Und zwar mit so vielen, dass der Löffel in der Mitte der Suppentasse stehen kann. So pflegte übrigens schon Opernkritiker Marcel Prawy im Hotel Sacher seine Frittatensuppe zu bestellen. Der Mann wusste, was schmeckt.

Optimal ist die Flädle-Suppe dann, wenn der Löffel darin stehen kann. Das erkannte schon Marcel Prawy.

Beste Suppeneinlage
Für die Frittaten verquirlen und salzen Sie die Eier. Dann sieben Sie das Mehl in eine Schüssel und gießen die Milch in dünnem Strahl ein. Wenn Sie dabei mit einem kleinen Schneebesen von innen nach außen rühren, entstehen keine Klumpen. Ich würze gerne noch mit etwas geriebener Muskatnuss und schwarzem Pfeffer, ehe ich den Teig ein paar Minuten rasten lasse.

In einer heißen, beschichteten Pfanne lasse ich nun portionsweise etwas Butter zergehen, gieße etwas Teig ein und backe ihn unter Wenden. Straff eingerollt schneide ich die kleinen Pfannkuchen in dünne Streifen. Falls ich es schaffe, der großen Versuchung zu widerstehen, alle herrlichen Frittaten sofort zu verspeisen, schlichte ich sie großzügig in die Suppentasse und übergieße sie mit heißer Rindssuppe.

Wir sollten schließlich nicht frittatenlos zusehen, wie sich die Extremisten in der Mitte der Gesellschaft ausbreiten. Wie sogenannte alternative Medien, Fake News und digitale Revolver-Medien ohne journalistische Ethik die Leser in ihren Echokammern aufhetzen. Deshalb werde ich auch 2025 Qualitätsmedien unterstützen, mich mit unterschiedlichen Sichtweisen auseinandersetzen, um nach kritischem Abwägen eine eigene Meinung bilden zu können. Übrigens: Falls Sie wissen wollen, was richtigen Journalismus ausmacht, dann empfehle ich Ihnen das Buch „Praktischer Journalismus – ein Lehrbuch für alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten“. Es ist 2024 erschienen.

Trotz aller fragwürdiger Entwicklungen meine ich, dass die Suppentasse halbvoll ist – und nicht halbleer. Nun müssen wir eben die Suppe auslöffeln, die wir uns eingebrockt haben. Lassen wir uns nicht entmutigen: Wir schaffen den Jänner, wir schaffen die Krisen, wir schaffen Suppe, Knödel und Frittaten.

Zutaten für einen großen Vorratstopf:
Suppe: 1 kg Rindsknochen, 1 kg Siedfleisch oder – wenn trotz Teuerung noch etwas Geld übrig ist – Tafelspitz, 6 l Wasser, je 400 g Karotten und Sellerie, 1 Stange Lauch, 3 Zwiebeln, 20 schwarze Pfefferkörner, 5 Pimentkörner, falls vorhanden 1 Bund frische oder 2 TL getrocknete Kräuter (Petersilie, Liebstöckel), Salz und Pfeffer (die Zutaten können auch halbiert werden, wenn der Topf nicht groß genug ist)

Frittaten für 2-4 Personen: 3 Eier, 60 g Mehl, 100 ml Milch, Salz, Pfeffer, evtl. etwas geriebene Muskatnuss, Butter zum Braten

Musiktipps:
Die Jänner-Playlist – mit diesen neuen Alben gelingen Suppe und Jahresanfang:

  • Woodland von Gillian Welch und David Rawlings
  • Wild God von Nick Cave & The Bad Seeds
  • Moon Mirror von Nada Surf
  • Sincerely, Thees Uhlmann von Thees Uhlmann
  • Only God Was Above Us von Vampire Weekend

Buchtipp:
Praktischer Journalismus – ein Lehrbuch für alle, die wissen wollen, wie Medien arbeiten; herausgegeben von Ingrid Brodnig, Florian Klenk, Gabi Waldner und Armin Wolf

Post Author: Dan

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