Jedem Garten seinen Limonadenbaum –
und jedem Kind seine langen Sommerferien.
An diesen heißen Sommertagen denke ich gerne an die eigene Kindheit zurück. Die großen Ferien, in Österreich gut neun Wochen am Stück, empfand ich als schönste Zeit des Jahres. Es handelte sich nicht einfach nur um schulfreie Zeit – es war ein Lebensgefühl, das bis in die Gegenwart hinein wirkt.
Wir züchteten Kaulquappen, verkauften Limonade und spielten bis in die Nacht hinein Fußball. Die Fersen begannen zu glühen, wenn wir barfuß zum Supermarkt huschten, um an der Eistruhe unser Zeugnisgeld in Twinni, Plattfuß und Paiper zu investieren. Und täglich stieg die Vorfreude auf den Urlaub am Campingplatz.
Manchen Ferientag verbrachten wir zeitlos, planlos und zwecklos; ob es Dienstag oder Donnerstag war, haben wir vergessen. Kein Ortungsdienst setzte uns aufs Radar und weder Handy noch Facebook oder Instagram hatten uns im Griff. Es gab genügend Zeit, um zu „sinnlosen“ – ein schönes Wort, das Gerhard Polt einmal verwendet hat. Und sollte der herrliche Müßiggang doch einmal in Langweile kippen, gab es immer noch das Ferienprogramm im Fernsehen.
Sehnsuchtsort der Kindheit: Der Limonadenbaum
Das ZDF verwöhnte uns mit der Muppetshow, Michel aus Lönneberga und Pippi Langstrumpf. Mir gefiel besonders Pippis Episode mit dem „Limonadenbaum“. Sie überraschte ihre Nachbarn Tommy und Annika mit einem ausgehöhlten Baum im Garten ihrer Villa Kunterbunt, in dem Limonadeflaschen gelagert waren. Der Limonadenbaum – ein Sehnsuchtsort der Kindheit! Offenbar stand im Garten des Geburtshauses von Pippi-Autorin Astrid Lindgren im schwedischen Vimmerby eine hohle Ulme, die sie zur Erfindung des Limonadenbaums inspiriert hat. Eigentlich sollte in jedem Garten oder Spielplatz so ein Limonadenbaum zur freien Entnahme stehen.
Denn was gibt es Feineres, als heiße Ferien mit frischer Limonade abzukühlen? Pippi hat sie sicher auch selbst gemacht. Wie wir im Probelokal, mit ungespritzten Zitronen und Limetten, ein paar Gartenkräutern, Rohrzucker und kaltem Wasser. Die folgende Limonade widme ich allen Kindern, die in den Genuss der großen Sommerferien kommen.
Es braucht nur ein paar Handgriffe: Waschen Sie die Zitronen und Limetten mit heißem Wasser ab und trocknen Sie sie. In eine Rührschüssel geben Sie den Zucker, dazu reiben Sie die dünne, äußere Schale der Zitrusfrüchte. Darüber schnipsle ich gerne frische Melisse aus dem Garten – Sie können auch andere Kräuter verwenden oder natürlich ganz auf Grünzeug verzichten. Die Zitronensäure lösen Sie im Wasser auf. Diese Flüssigkeit leeren Sie nun über die Zuckermischung. Mit einem Kochlöffel verrühren Sie die Zutaten in der Schüssel, decken mit Folie ab und stellen sie an einen kühlen Ort.
Nun dauert es einige Zeit, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Bei mir waren es zuletzt drei Tage. Rühren Sie gelegentlich um, wenn Sie am Kühlschrank vorbei kommen. Sind die Auflösungstendenzen fortgeschritten, sieben Sie die Flüssigkeit und füllen den frisch gewonnen Sirup mit einem Trichter in saubere kleine Flaschen, die Sie wieder in den Kühlschrank stellen. Damit ist die Getränke-Grundlage für erfrischende Restferien schon gelegt.
Die Idee dieses Rezeptes hat mir vor Jahren Rita Batliner im Buch „Mit Liebe zur Koch-Kunst“ geliefert. Sie nimmt nur die Schale der Früchte. Daher verwende ich den Saft der Zitronen und Limetten anderweitig – etwa für Salatdressings oder zur Zubereitung einer herben „Erwachsenen-Limonade“, deren Geschmack ich mit viel Ingwer und Minze kräftig zuspitze (auf Wunsch maile ich Ihnen dieses Rezept gerne – schreiben Sie mir einfach an dan@probelokal.com).
Gießen Sie einen Schuss Sirup mit kaltem Mineralwasser auf. Sie haben den Süßungsgrad damit selbst in der Hand und können sich deutlich von der überzuckerten Industrieware abheben. Meine Kinder gaben sich letzte Woche mit dem recht zuckerarmen Mischverhältnis von 1:15 zufrieden, freuten sich im Gegenzug aber über Ferien-Besonderheiten wie Eiswürfel und Zitronenscheiben.
Fehlt nur noch ein schattiger Baum, unter den Sie sich mit der kühlen Limo-Flasche liegen – fast wie im schwedischen Sommer bei Pippi und ihren Freunden. Musikalisch passt das Album „World Playground“ mit Songs aus aller Welt dazu. Das sehr empfehlenswerte Weltmusik-Label „Putumayo“ hat eine Album-Serie mit kindgerechten Liedern produziert, die auch Erwachsenen nicht auf die Nerven gehen. Ich bin mir sicher, sie würden auch Pippi gefallen, da sie auch einen Hauch von Taka-Tuka-Sound beinhalten.
Finger weg von den langen Sommerferien!
Mit dem Rezept verbinde ich den Appell, sich für die Beibehaltung der Sommerferien in der derzeitigen Länge einzusetzen. Es gibt zwar zweifellos wichtigere politische Themen. Aber immer wieder lese ich, dass die Verkürzung der Sommerferien zur Diskussion steht. Warum das? Es ist doch sonst schon alles so „kurz“ in der österreichischen Politik.
Natürlich verstehe ich Eltern, denen eine angemessene Kinderbetreuung in den neun Wochen schwer fällt. Aber in diesem Fall muss ich diese rationalen Argumente leider vom Tisch wischen, so wie Zitruslimonade, die beim Einschenken übergesprudelt ist. Im Vergleich zu unvergesslichen Kindheitsmomenten, die ihre Zeit zur Entfaltung brauchen, mit Phasen der Langeweile, des Entdeckens der Welt und der eigenen Persönlichkeit, des langen Aufbleibens am Abend und des Ausschlafens am Morgen – gegen all diese Fülle des jungen Lebens zieht die Mühe der Organisation des Erwachsenen-Alltags ausnahmsweise den Kürzeren.
Es ist schon bitter genug, wenn bereits im Juli die Aktionszonen der Supermärkte mit Schulheften, Radiergummis und Füllfedern prall gefüllt sind, um die Kinder schon zu Ferienbeginn daran zu erinnern, dass es irgendwann wieder mit der Schule losgeht. Die kann jetzt noch warten. Und die verplanten Tage beginnen im Leben noch früher, als es uns lieb ist. Genießen Sie zuerst in vollen Zügen diesen Sommer!
Zutaten für rund 1,25 Liter Sirup: 2 Bio-Zitronen und 2 Bio-Limetten, 1 kg Rohrzucker, 25 Gramm Zitronensäure, ein paar Kräuter Ihres Geschmacks (zB Melisse), 0,75 Liter WasserMusik: Album „World Playground“ mit zwölf Titeln unterschiedlicher Interpreten aus aller Welt; Label: PutumayoLektüre: Kochbuch „Mit Liebe zur Koch-Kunst“ von Rita Batliner – die darin vorgestellte Hausmannskost kommt ohne Fotos aus, dafür wurde sie von Künstler Georg Baselitz mit Illustrationen verfeinert.
Post Author:
Dan
2 Replies to “Hausgemachte Zitruslimonade”
Wie schön, dass dieser Text nicht nur sprachlich – sondern darüber hinaus sein beschriebener Inhalt – in höchstem Maße Erfrischung verspricht. Eine ganzheitlich-nachhaltige zumal, da Geist, Körper und Seele etwas abbekommen. Dem Appell zur Beibehaltung langer Sommerferien schließe ich mich nicht nur aus Erfrischungsgründen an: vielmehr noch ob der Gewissheit, dass Zeit nicht vergeht, sondern entsteht (Tempus prodit, non perit!). Und verschwenderisch lange Sommerferien sind der Raum, in dem dies geschen darf. Kompliment an den Autor für sein feines Fingerspitzengefühl in der Themenauswahl und -komposition. Respekt!
Lieber Daniel, finde deine Seite echt eine Bereicherung, tolle Geschichten, tolle Musikvorschläge tolle Rezepte – Gratulation – freue mich jedenfalls immer über deine Post. Thumps up……
I tät folgendes seaga: „Do haut’s om jo dr Nuttel ussa bim leasa – bi soooooo viel Wissa!!“
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Chili-Öl
Dieses Chili-Öl ist großartig für die eigene Vorratskammer. Aber es eignet sich auch wunderbar als Weihnachtsgeschenk. Und da mich schon seit August Lebkuchen und Schneeschaufeln in den Supermärkten empfangen, kann es ja nicht mehr lange hin sein, bis zum Dezember… Falls Sie auch schon mit der Geschenkeproduktion starten wollen: Das Rezept, das ich vor Jahren einmal im ZEIT-Magazin gefunden habe, versteckt sich in der September-Rezeptgeschichte.
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Falafel gibt’s derzeit überall – natürlich auch im Probelokal. Am liebsten in Sesam gewälzt und mit frischer Tomaten-Salsa.
Oder:
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Das Lieblings-Eis des zu Ende gehenden Sommers! In einer hausgemachten Brandteig-Schale mit frischem Obst serviert.
Wie schön, dass dieser Text nicht nur sprachlich – sondern darüber hinaus sein beschriebener Inhalt – in höchstem Maße Erfrischung verspricht. Eine ganzheitlich-nachhaltige zumal, da Geist, Körper und Seele etwas abbekommen. Dem Appell zur Beibehaltung langer Sommerferien schließe ich mich nicht nur aus Erfrischungsgründen an: vielmehr noch ob der Gewissheit, dass Zeit nicht vergeht, sondern entsteht (Tempus prodit, non perit!). Und verschwenderisch lange Sommerferien sind der Raum, in dem dies geschen darf. Kompliment an den Autor für sein feines Fingerspitzengefühl in der Themenauswahl und -komposition. Respekt!
Lieber Daniel, finde deine Seite echt eine Bereicherung, tolle Geschichten, tolle Musikvorschläge tolle Rezepte – Gratulation – freue mich jedenfalls immer über deine Post. Thumps up……
I tät folgendes seaga: „Do haut’s om jo dr Nuttel ussa bim leasa – bi soooooo viel Wissa!!“