Gegrilltes Gemüse und Jovanotti:
Mehr als nur ein Vorprogramm!
Der Premieren-Sommer des Probelokals geht bald zu Ende. Vieles weist darauf hin, dass der Herbst naht: Die Urlauber kehren zurück, die Fußball-Ligen nehmen wieder ihren Betrieb auf und am Abend wird es merklich kühler. Außerdem stapeln sich in vielen Supermärkten schon die Lebkuchen – klar, es ist höchste Zeit, in 115 Tagen ist schließlich schon der Heilige Abend.
Den Sommer möchte ich aber nicht ziehen lassen, ohne Ihnen noch rasch ein Gericht vorzustellen, das in den letzten Wochen unzählige Male ausprobiert habe: Gegrilltes Gemüse. Es galt nämlich, ein Luxusproblem zu bewältigen: Wohin mit dem ganzen Zucchini? Dank des zurückliegenden Hitze-Sommers wurde im Bio-Garten geerntet wie sonst nur in den fragwürdigen Turbo-Gewächshäusern von Almeria. Was tun? Cosa fare?
Einkochen ist derzeit nicht so meine Sache. Es klingt zwar vernünftig, sonnengereiftes Gemüse für düstere Zeiten haltbar zu machen. Inzwischen ist es sogar wieder hip, und die Weckgläser feiern fröhliche Urständ. Aber ich finde, dass eingelegtes Gemüse schon wenige Wochen nach der Zubereitung seinen Zauber verliert. Letzte Woche durfte ich Spargel essen, den ich im Mai meinte, in Gläsern einkochen zu müssen. Klar, wieder so ein Luxusproblem. Er schmeckte auch okay, aber eigentlich war mir nicht danach. Brauche ich in Zeiten des Wohlstandes außerhalb der Saison wirklich das Gemüse der vorangegangenen Jahreszeit?
Alles zu seiner Zeit
Spargel esse ich genüsslich im Frühling, genauso wie Erdbeeren, und dazu höre ich saisonale Songs wie „Frühling“ der Sportfreunde Stiller (siehe Rustikaler Spargelsalat). In ein paar Wochen mache ich mich über Kürbisse und Kastanien her. Und im Dezember esse ich dann lieber frisch gekochte Schwarzwurzeln, Rote Bete oder Sprossenkohl. Und wenn der Nikolaus kommt, will ich bitte keinen Osterhasen aus Schokolade, auch wenn er dank Konservierungsmitteln noch locker haltbar wäre. Alles zu seiner Zeit, solange wir die Vorzüge unseres Jahreszeiten-Wechsels haben.
Also ging es im Sommer darum, stapelweise Gemüse auf schmackhafte Weise zuzubereiten. Für Zucchinisuppe war es mir zu heiß. Ich stolperte über ein Rezept für „Gemüselasagne“ und stellte erschrocken fest, dass anstatt Nudelplatten dünne Zucchinischeiben verwendet werden. Man kann es mit Gesundem auch übertreiben. Da bin ich wieder mal froh über meine Grillpfanne, mit denen ich fein gegrilltes Gemüse zubereite. Dadurch entlocke ich sogar den faden Zucchini noch etwas Geschmack. Mit ein paar Feinheiten entwickelt sich aus dem gegrillten Gemüse – auf Italienisch „verdure grigliate“ – eine feine Vorspeisenplatte. Antipasti hieße das dann wohl.
Italienische Freuden…
Deshalb huldigen wir zu Ferienende dem Land, das nach Sommer und guter Küche duftet: Italien. Ich denke an wunderbare Spinatknödel, die man uns einmal in einem Agriturismo oberhalb von Bozen servierte. An eine Scheibe Schwertfisch, die ich in einem kleinen Gasthaus direkt am Ufer des Ionischen Meers genießen durfte – der Koch würzte den „Spada“ nur mit etwas Olivenöl, Salz und Zitrone. Und ich denke an ein Straßenfest in einem Bergdorf in Kalabrien, in das wir zufällig gerieten. Dort wurden auf Holzkohlegrills an jeder Ecke Paprika und Zwiebeln gegrillt. Herrlich, wie das schmeckte: Nach echter Lebensfreude, die nicht für ein Tourismusprospekt inszeniert wurde.
Doch das große, stolze Land macht mir in letzter Zeit Sorgen. Das liegt nicht nur an der verpassten Fußball-WM-Qualifikation. Bisher schien Italien jede missliche Lage mit Würde zu meistern. Egal, ob Müll auf der Straße liegt oder der Bus nicht planmäßig fährt: Ein charmantes Lächeln und entspanntes Improvisationstalent lösten jeden Krampf und führten stilsicher über die Situation hinweg. Hauptsache, die Sonnenbrille saß auf souveränste Weise (siehe Lesetipp am Textende).
…und italienische Sorgen
Angesichts der politischen Verrohung habe ich seit einer Weile das Gefühl, das Land mit seiner so reichen Kultur habe sein Selbstvertrauen verloren und könnte auseinander fallen. Und dann bricht jetzt doch tatsächlich diese Brücke in Genua zusammen. Diese Bilder lassen mich nicht los. Mich schaudert, wenn ich das Foto des grünen Lastwagens der Supermarkt-Kette Basko sehe, der nur wenige Meter vor der Kante zum Stehen kam. Und mich schaudern auch die Aussagen des aggressiven Innenministers, der in alter populistischer Tradition doch tatsächlich der EU die Schuld für den Brückeneinsturz in die Schuhe schieben will. Oder waren es doch die Flüchtlinge? „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten“ soll Karl Kraus einmal gesagt haben. Ob Italien das alles aushält? Lo spero, ich hoffe es. Wenn, dann Italien.
Gemüseparty mit Jovanotti
Bevor die Sonne jahreszeitenbedingt auch vor dem Probelokal wieder tiefer steht, grillen wir schnell das Gemüse. Ein fader Zucchino alleine macht aber noch kein Antipasti. Das wäre so, als ob auf einer Party nur ein langweiliger Gast zugegen wäre und still in der Ecke steht. Dazu laden wir lieber noch ein paar unterhaltsame Gäste ein: Reife Paprika, die runde Aubergine oder den aufrechten Pilz. In jedem Fall auch Herrn Knoblauch, der zwar eine Fahne mitzieht, aber auf einer Party ist das erlaubt.
Ans DJ-Pult lassen wir niemanden Geringeren als Lorenzo Cherubini, besser bekannt als „Jovanotti“. Den Cantautore aus Rom habe ich einmal im Vorprogramm von Eros Ramazzotti live erlebt. Diese Konstellation ist fragwürdig. Irgendwie so, als würde der Nino aus Wien als Vorband von Andreas Gabalier spielen. Auf den Hauptact könnte ich da wie dort verzichten. Aber das passt ja zu dieser Rezeptgeschichte, denn auch hier geht es nur ums Vorprogramm, um Antipasti. Und zu deren Zubereitung passen Jovanottis Titel wie „Chissà Se Stai Dormendo“ oder die Unplugged-Version seines Hits „Serenata Rap“ wunderbar. Zu finden sind sie auf dem empfehlenswerten Album „Lorenzo Raccolta“.
Nehmen Sie sich das geputzte Gemüse zur Hand und schneiden Sie es in Scheiben von etwa einem halben Zentimeter. Diese geben Sie in eine Schale und überziehen es mit wenigen Esslöffeln Olivenöl. Erhitzen Sie die Grillpfanne und legen Sie die Gemüsescheiben hinein. Dazu brauchen Sie mehrere Durchgänge und genügend Zeit – jede Scheibe braucht ein eigenes Plätzchen in der Pfanne, keinesfalls dürfen Sie sie aufeinander stapeln. In eine zweite Schale geben Sie noch etwas Öl, ein wenig Zitronensaft und dunklen Balsamico-Essig sowie zwei Knoblauchzehen, die sie fein blättrig aufgeschnitten haben. Ich finde ein paar Rosmarinnadeln und frisch gerebelten Thymian auch noch sehr passend.
Wenn das Gemüse in der Pfanne Grillstreifen aufweist, wenden Sie es. Sehen beide Seiten schön angeröstet aus, dürfen die Scheiben in der Marinade der zweiten Schale rasten. Dort häuft sich immer mehr fertig gegrilltes Gemüse. Wenden Sie es, damit die Marinade in alle Teile einziehen kann. Das Gemüse können Sie wunderbar vorbereiten! Es wird in den paar Stunden, bis die Gäste aufkreuzen, immer noch besser.
Beim Anrichten können Sie nichts falsch machen, das bunte, rustikale Gemüse mit Grillstreifen lässt das Auge mitessen, da können Sie noch so altmodisches Geschirr aus dem Dachboden holen. Das gegrillte Gemüse ist im Handumdrehen zu einer großen Antipasti-Platte ausgebaut – etwa mit aufgeschnittenem Schinken, Salami und natürlich frischem Brot. Letzteres ist Pflicht, denn damit lässt sich die feine Marinade auftunken.
Zutaten für etwa 4 Personen: Grillgemüse Ihrer Wahl – am besten einen Zucchino, zwei Paprika, eine Aubergine und unbedingt auch Pilze, bei mir waren es Grillchampignons und Kräutersaitlinge, ideal sind natürlich frische Steinpilze. Dazu ein paar Esslöffel Olivenöl, wenig Zitronensaft und dunkler Balsamico-Essig, zwei Knoblauchzehen, Salz und Pfeffer.Musik: Album „Lorenzo Raccolta 1990-1995“ von Jovanotti; Label Mercury (Universal Music); Produzenten Jovanotti und Michele CentonzeLesetipp: „Auf dem Sonnendeck“ – das Magazin der Süddeutschen Zeitung ließ die Crew einer Fähre am Gardasee neue Sonnenbrillen anprobieren. Eine originelle Idee: https://sz-magazin.sueddeutsche.de/kosmos/auf-dem-sonnendeck-85907
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