Kaffee, Kuchen und alpine Volksmusik – das klingt zunächst bieder und langweilig. Die Kombination erinnert an das miefige Programm im Regionalradio, das in den 80ern am Sonntagnachmittag lief. Kennen Sie noch den Klassiker unter den Erbschleicher-Melodien, „Ich schenk‘ Dir nur rote Rosen“, den sich viele Anrufer im Wunschkonzert für die 90jährige Tante wünschten? Genau, so fühlte sich das an. Es ist höchste Zeit für eine zeitgemäße Interpretation des sonntäglichen Kaffeeklatsches.
Das beginnt schon bei der Musik. Herrlich, wie österreichische Musikprojekte derzeit wie Pilze aus dem Boden schießen! An allen Ecken und Enden entdecke ich neue Künstlerinnen und Bands, höre ich vielversprechende zeitgenössische Wienerlieder, alternativen Pop und Rock, ja sogar Volksmusik, die nach vorne schaut.
Bitte kein Alpenkitsch!
Zuvor machte ich viele Jahre einen Bogen um die Volksmusik – mich störte der Alpenkitsch, die schnörkelige Musikantenstadl-Architektur und die Scheinheiligkeit, die zu einer Stimmung führte, die sich enger anfühlte, als das Klostertal bei herbstlichem Regen. Erst seit kurzem merke ich, dass authentische Volksmusik etwas Schönes sein kann. Weil sie die Wurzeln nicht verleugnet, sich aber nicht vor der Welt verschließt. Weil sie nicht nur in Dur erklingt, sondern auch vor Moll nicht zurückschreckt. Und weil sie nicht so tut, als sei sie besser als das, was woanders gespielt wird.
Gut, dass es erfrischende Volksmusik-Ensembles wie „Alma“ gibt. Erst Anfang des Jahres bin ich auf die fünf Musiker/innen gestoßen, die traditionelle Musik aus dem Alpenraum in neuem Licht erstrahlen lassen. Wie sie Volksmusik und Klassik mit drei Geigen, Kontrabass und Akkordeon zusammen bringen, ist beeindruckend. Alma reduziert die Volksmusik nicht nur auf die Alpen, sondern wagt auch Ausflüge ins Atlas-Gebirge nach Nordafrika. Wie beim Titel „Morocco“, das auf dem Album „Transalpin“ erschienen ist.
Der Tipp des marokkanischen Händlers
Doch dass der zeitgemäße Sonntagskaffee diesmal einen marokkanischen Einschlag hat, liegt nicht nur an „Alma“, sondern auch an Herrn Boudkour, dem Gewürzhändler meines Vertrauens. Der herzliche Marokkaner, der immer einen Hauch von Marrakesch auf den hiesigen Wochenmarkt zaubert, wenn er erlesene Gewürze, Tajines oder arabische Lampen feilbietet, schenkte mir zum Probieren ein marokkanisches Kaffeegewürz mit Kardamom, Zimt, Nelken und Vanille. Er flüsterte mir zu, ich solle eine Prise davon über den gemahlenen Kaffee streuen, und verneigte sich zum Abschied.
Aber bevor wir den gewürzten Kaffee kochen, backen wir den Kuchen. Das ist im Probelokal meist die Angelegenheit meiner Frau. Denn meine Versuche als Bäcker enden immer wieder in einer Zitterpartie: Ist der Teig speckig, bringe ich den Kuchen aus der Form, bricht er gar auseinander? Die Kuchen meiner Frau hingegen gelingen fast immer. Dabei verwendet sie nur ihr handgeschriebenes Rezeptbuch und traut sich sogar, die Zutaten nach Gutdünken abzuwandeln. Diese Nerven hätte ich beim Kuchenbacken nicht.
Bitte erschrecken Sie nicht, wenn Sie am Ende die üppige Zutatenliste lesen. Die feinen Dinge beziehen sich auf eine große Gugelhupf-Form, damit machen Sie eine ordentliche Gästeschar satt. Dennoch: Zum Abnehmen ist dieser Gugelhupf natürlich nicht geeignet. Aber Gewichtsreduktion wird heutzutage ohnedies überbewertet.
Geben Sie die Butter frühzeitig in eine große Rührschüssel, damit sie bei Zimmertemperatur weich wird. Falls bei Ihnen – wie im Probelokal – eine Katze mit schwierigem Charakter haust, dann decken Sie die Schüssel ab. Lili schlich sich kürzlich in die Küche und schleckte genüsslich an der weich gewordenen Butter. Ich setzte sie vor die Tür und begann von vorne.
Trennen Sie die Eier und geben Sie die Eigelbe zur Butter. Mit dem Handrührgerät schlagen Sie das Eiweiß in einer eigenen Schüssel steif, während Sie langsam die 150 Gramm Rohrzucker und eine Prise Salz einrieseln lassen. Nun heizen Sie das Backrohr auf 160° Heißluft – wenn möglich in Kombination mit Unterhitze – vor. Schnappen Sie sich die größte Gugelhupf-Form, die Sie finden können, und pinseln Sie sie mit etwas weicher Butter ein.
Mischen possible
Verwenden Sie das Handrührgerät nun, um die weiche Butter mit dem Eigelb, dem Staubzucker, dem Mark einer ausgekratzten Vanilleschote, einem Schuss Rum, der abgeriebenen Zitronenschale und einer kräftige Prise Salz cremig zu rühren. Dazu mischen Sie die Milch. Anschließend sieben Sie das Mehl darüber und geben das Backpulver dazu. Zum Teig-Finale gehört die Eischnee-Masse, die Sie nun mit vorsichtigen Bewegungen unterheben. Nur nicht zu fest schlagen, das würde dem Eischnee die Luft rauben und damit dem Kuchen die Lockerheit.
Ein Drittel des Teiges füllen Sie jetzt in die leer gewordene Eischnee-Schüssel um. Dazu kommt das Kakaopulver, das Sie gut unterrühren. In die Gugelhupf-Form kommen nun abwechslungsweise der helle und dunkle Teig. Mit einer Gummispatel ziehen Sie in wenigen Zügen elegant durch den Teig, damit sich die helle und dunkle Teigmasse ein wenig vermischen. Nun darf die Form für eine Stunde ins heiße Backrohr.
Zu Gast in Marokko
Nützen Sie die Zeit, um den Tisch zu decken und das Alma-Album nochmals von vorne anzuhören. Dazu könnten Sie durch das Buch „Zu Gast in Marokko“ schmökern, das Sophia und Rob Palmer geschrieben und fotografiert haben. Eingehüllt in ein aufwändig gestaltetes Cover finden Sie eindrucksvolle Fotos, Portraits und Rezepte aus allen Teilen Marokkos. Vergessen Sie in der orientalischen Gedankenreise nur nicht, den Kuchen aus dem Backrohr zu holen – lassen Sie ihn in der Form auskühlen, bevor Sie ihn auf ein Kuchengitter stürzen und mit Staubzucker bestreuen.
Jetzt wird der marokkanische Gewürzkaffee gekocht. Dazu verwende ich meine Filter-Kaffeemaschine. Sie wurde zu meiner Überraschung in der EU produziert. Sie haben richtig gelesen – ein Elektrogerät aus der EU! Ja, das gibt es noch. Freude schöner Götterfunken. Und sogar die Ersatzteile sind günstig erhältlich.
Es geht nichts über tiefschwarzen, starken Filterkaffee mit subtilem Gewürzaroma – vor allem, wenn man müde ist nach einer intensiven Arbeitswoche, sich an die Kaffeetafel schleppt und nach Stärkung sehnt. Auf das frisch gemahlene Kaffeepulver streue ich zur Krönung eine Messerspitze des arabischen Gewürzes von Herrn Boudkour. Dazu kommen wenige Tropfen des Orangenöls, das stets in meinem Kühlschrank lagert. Dann gurgelt die Maschine, während der Duft des frisch gekochten Kaffees durch das Probelokal strömt.
Das feine Aromatisieren macht auch vor dem Schlagrahm nicht Halt. Beim Aufschlagen des Rahms gebe ich ein paar Prisen Staubzucker in die Rührschüssel. Und, für Erwachsene, noch einen Schuss Frangelico – das ist ein Haselnuss-Likör aus dem Piemont, der Süßspeisen ein feines Aroma verleiht. Genießen Sie diesen reichhaltigen Kaffeeklatsch voller Sinnes-Eindrücke aus dem Atlas und den Alpen!
Zum Ende noch mein manierenbefreiter Spezialtipp, falls gerade niemand zusieht: Einen Löffel Schlagrahm in die Kaffeetasse gleiten lassen und dann den Gugelhupf im Kaffee eintunken. Herrlich… Weniger saftig ist es, wenn Sie den Kuchen ohne Kaffee genießen – dann geht es Ihnen vielleicht so, wie Kabarettist Gerhard Polt bei Frau Haberl im Stück „Sandkuchen“ – hören Sie sich das bitte an…
Zutaten für eine große Gugelhupf-Form: 330 Gramm Dinkelmehl, 330 Gramm Butter, 180 Gramm Staubzucker und 150 Gramm Rohrzucker, 6 große Eier, 60 Gramm Stärkemehl, 10 Gramm Backpulver, Prise Salz, Schuss Stroh-Rum, Mark einer Vanilleschote, 20 Gramm ungesüßtes Kakaopulver, 180 Milliliter Milch, abgeriebene Schale einer Bio-ZitroneHaselnuss-Rahm: 0,25 Liter Rahm, 1 Teelöffel Staubzucker, 1 Esslöffel Haselnusslikör (zB Frangelico)Gewürzkaffee: Gemahlene Kaffeebohnen, eine Messerspitze arabisches Kaffeegewürz und drei Tropfen Bio-Orangenöl Musik: Album „Transalpin“ von Alma aus dem Jahr 2015, Label „Col Legno“, www.almamusik.atBuch: „Zu Gast in Marokko“ von Sophia Palmer und Rob Palmer, Callway-Verlag
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Dieses Chili-Öl ist großartig für die eigene Vorratskammer. Aber es eignet sich auch wunderbar als Weihnachtsgeschenk. Und da mich schon seit August Lebkuchen und Schneeschaufeln in den Supermärkten empfangen, kann es ja nicht mehr lange hin sein, bis zum Dezember… Falls Sie auch schon mit der Geschenkeproduktion starten wollen: Das Rezept, das ich vor Jahren einmal im ZEIT-Magazin gefunden habe, versteckt sich in der September-Rezeptgeschichte.
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