Bluegrass und geschmortes Rind: Eine Kombination zum Wohlfühlen.

Willkommen zur 20. Rezeptgeschichte seit Bestehen des Probelokals! So lange brauchte es auch, bis ich Ihnen zum ersten Mal Rindfleisch serviere. Dafür in seiner feinsten Form: Langsam geschmort, butterweich und mit Südtiroler Wein. Dazu gibt es feine Folk- und Bluegrass-Musik. Eine intensive Wohlfühl-Kombination für den Herbst! Das war nicht immer so: Die dunkle Geschichte dieses Gerichtes beginnt Ende der 90er Jahre. Im Tourismuskolleg lernten wir den Vorgang des „braunen Dünstens“. Damit ist nicht die düsterste Epoche der österreichischen Geschichte gemeint, die hochrangigen Vertretern der Politik noch immer tief in den Knochen steckt. Nein, damit meine ich vielmehr das langsame Schmoren von Kalb- oder Rindfleisch in schwerem Rotwein. Das übten wir im Kochunterricht mehrere Male. Dieser Witz ist ein Witz Unser Kochlehrer, ansonsten nicht gerade ein Scherzkeks, erlaubte sich einen Witz. Als wir Kochnovizen mit schief sitzenden Papierhauben und einer Mischung aus Langeweile und Sorge vor ihm saßen und dem Kochnachmittag entgegen schlotterten, fragte er uns, wie man aus einem Kalbsragout noch ein Rindsragout machen könne. „Ganz einfach: Man nimmt das Kalbsragout, hält den Teller schief, und schon rinnt’s Ragout!“ sagte er. Lustig? Eben. Wir grinsten pflichtbewusst. In der Hoffnung, ihn für den Nachmittag milde zu stimmen. Zu geschmortem Fleisch hatte ich lange Zeit ein gespanntes Verhältnis. Nicht nur wegen des Witzes. Selbst die Rindsrouladen bei meiner Koch-Abschlussprüfung 1999 misslangen. Vielleicht lag es auch an meinem zufällig zugeteilten Koch-Assistenten, der mir – anstatt aus der Bredouille zu helfen – im Kampf mit dem Rindfleisch am Herd weismachen wollte, dass Jörg Haider die österreichische Politik endlich voranbringen werde. Das Ergebnis kennen Sie inzwischen. Hauptgang des Kochwettbewerbs Während die Vergangenheitsbewältigung der Rechten noch immer aussteht, erfolgte wenigstens die Aufarbeitung meiner kulinarischen Abgründe. Und zwar im Sommer 2013 in Stuttgart, beim Kochwettbewerb des ZEIT-Magazins. Den ersten Gang des Menüs, eine Krensuppe, habe ich Ihnen bereits Anfang Oktober vorgestellt. Hier ist nun der Stuttgarter Hauptgang, den ich mir dieser Tage seit langem wieder einmal zusammengeschmort habe.
Kritischer Blick von Wolfram und Barbara Siebeck beim Kochwettbewerb (Foto: ZEIT-Magazin)
Treue Leser/innen dieser Seite kennen bereits die Haltung des Probelokals: Es gibt selten Fleisch – aber wenn schon, dann von bester Qualität und aus artgerechter Tierhaltung. Dafür nehmen Sie nicht das teure Filet, sondern günstige Stücke, die sich zum langsamen Schmoren eignen. Die schneidet der Metzger Ihres Vertrauens etwa aus der Wade oder dem Nacken. Ein paar Würfel davon brauchen Sie heute für den Schmortopf. Es geht los! Heizen Sie den Backofen auf 170 Grad (oder 150 Grad Umluft) vor und stellen Sie einen Schmortopf auf den Herd. Die getrockneten Steinpilze weichen Sie in einem Viertelliter heißem Wasser ein. Ich finde, das riecht genauso, wie das Trockenfutter unserer Katze. Aber keine Sorge, am Ende verleihen die Steinpilze dem Schmorgericht eine herrliche Note. Fabrizieren Sie aus dem geschälten Gemüse – Zwiebeln, Knoblauch, Karotten, Sellerie und den weich gewordenen Steinpilzen – feine Würfel.
Im Schmortopf beginnt das feine Brutzeln
Im Schmortopf erhitzen Sie einen Schuss Rapsöl und braten die Fleischwürfel portionsweise an. Es braucht Geduld – geben Sie nur nicht den ganzen Haufen Fleisch auf einmal in den Topf! Das würde ihn abkühlen und das Fleisch lauwarm vor sich simmern lassen. Es soll aber zischen und spritzen! Jede Handvoll Fleisch wird in 1-2 Minuten braun angebraten. Würzen Sie mit etwas Salz und Pfeffer und parken Sie alle angebratenen Würfel in einer Schüssel. In den heißen Schmortopf kommt noch ein Schuss Öl. Und dann die Zwiebeln. Das riecht fantastisch! Dazu werfen Sie die restlichen Gemüsewürfel und rühren ein paar Mal kräftig durch. Nun gesellen sich ein wenig Rohrzucker, der Thymian und das Lorbeerblatt zum Gemüse, gleich darauf noch ein Esslöffel Tomatenmark und eine großzügige Prise Salz. Die Hitze des Gemüsegefechts lösche ich nun mit einem ersten Schuss Rotwein ab. Herrlich, wie das duftet! Wein aus dem Südtirol Beim Kochwettbewerb nahm ich einen Rotwein namens „Lagrein“, das ist eine autochthone Rebsorte, die vorwiegend im Südtirol angebaut wird. Der Wein ist kräftig, dunkel und herb, also genau richtig für unser herbstliches Schmorgericht. Einen Viertelliter nehme ich zum Aufgießen am Herd, den Rest serviere ich später zum Essen. Nun kommt das geparkte Fleisch mit dem ausgetretenen Saft wieder in den Topf. Darüber gießen Sie die heiße Suppe (am besten wieder die Hühnersuppe, Sie wissen schon!) sowie die passierten Tomaten. Bringen Sie alles zum Kochen, decken Sie den Schmortopf ab und stellen Sie ihn in das heiße Backrohr. Dort bleibt das Ragout nun für 2 oder 3 Stunden und wird so richtig mürbe. Und die Zutaten verbinden sich zu einer wunderbaren Sauce! Schmoren für die Ohren Da bleibt nun genügend Zeit, um die Beilage zuzubereiten und nach herbstlicher Musik Ausschau zu halten. Dabei stoße ich auf die wunderbare Reihe namens „Transatlantic Sessions“. Auf Einladung der beiden Musiker Aly Bain und Jerry Douglas treffen sich immer wieder herausragende Folk-, Bluegrass- und Country-Musiker von beiden Seiten des Nordatlantiks. Dabei entstehen feine Klänge von Künstler/innen aus den USA, Kanada, England, Irland und Schottland. Bei mir läuft das Album „Transatlantic Sessions 5“ derzeit auf Hochtouren. Es wurde in einer Jagdhütte in den schottischen Highlands aufgenommen. Die Hausband um den Geigen-Virtuosen Aly Bain und Jerry Douglas an der Steel-Guitar wird dabei von Stars wie der mehrfachen Grammy-Preisträgerin Alison Krauss unterstützt. Dazu gesellen sich auch die junge Folk-Sängerin Sarah Jarosz (sie optimiert den Bob-Dylan-Song „Ring Them Bells) oder der amerikanische Banjo-Virtuose Béla Fleck. Schauen Sie sich die verlinkten Kostproben am besten selbst an – Ihre Ohren werden Augen machen!
Hier entstehen die Laugenknödel
Laugenbrezeln werden zu Knödeln Bei diesem Sound bereitet sich die Beilage fast von alleine zu. Ich habe am Vortag schon Laugenbrezeln gekauft, die ich nun würfelig schneide. In einer großen Bratpfanne zerlasse ich die Butter, brate die gewürfelte Zwiebel glasig und streue einen Teil der Brotwürfel darüber. Nach kräftigem Durchrösten werfe ich die Würfel in eine große Rührschüssel und brate den zweiten Teil des Brotes im zweiten Teil der Butter an. Dann erwärme ich die Milch, würze sie mit Muskatnuss und gieße sie über die Brotwürfel in der großen Schüssel. Ich verquirle fünf Eier und gebe sie dazu. Die Masse würze ich mit frisch gehackten Kräutern, Salz und Pfeffer. Die Maisstärke nehme ich, um die Masse gut zu verbinden. Ist alles gut durchgerührt, lasse ich sie ein paar Minuten durchziehen. Dann folgt ein Erlebnis, das mich ans Spielen im matschigen Sandkasten erinnert. Denn mit feuchten Händen forme ich aus der Masse kleine Knödel. Ist das eine schöne Patzerei! Die Knödel setze ich auf ein eingefettetes Blech, das ich für 15 Minuten bei 100° Feuchtigkeit in den Dampfgarer schiebe. Sie können die Knödel auch gleich lang in siedendem Salzwasser im Kochtopf garen, dazu wende ich sie vor dem Einwerfen noch in etwas Mehl. Heben Sie die gegarten Knödel auf einen Teller und lassen Sie sie rasten.
Frisch aus dem Ofen und kurz vor dem Verfeinern: Der Schmortopf
Ist das Fleisch butterweich, hebe ich es mit einer Gabel vorsichtig aus der Sauce, um es noch einmal zwischen zu parken. Vorsicht – die Rinderwürfel sind so mürbe, dass sie fast zerfallen! Dann entfernte ich die Kräuter, püriere die Sauce und drücke sie durch ein feines Sieb. Dazu kommt zum Abrunden noch ein Spritzer Zitronensaft und ein Löffelchen Butter. Das Fleisch will nun unbedingt zurück zur Sauce, um bei niedriger Temperatur dem Servieren entgegen zu fiebern. In der Bratpfanne, die noch vom Anrösten der Laugenwürfel auf dem Herd steht, zerlassen Sie nun etwas Butter. Die halbierten Laugenknödel werden darin braun angebraten. Nun darf serviert werden! Und falls Sie nicht alles essen, keine Sorge: Am nächsten Tag schmeckt das Fleisch mit seiner Sauce noch besser. Und angebratene Knödel sind ohnedies immer eine Klasse für sich! Zutaten: Lagrein-Rindfleisch: 1 Kilogramm gewürfeltes Rindfleisch zum Schmoren, 2 Zwiebeln, 1 Karotte, 1 Stück Knollensellerie (etwa selbe Menge wie Karotte), 2 Knoblauchzehen, ein paar Scheiben getrocknete Steinpilze, ein paar Zweige Thymian, 1 Lorbeerblatt, 500 Milliliter Suppe/Fond, 250 Milliliter Rotwein (hier zB Lagrein), 200 Milliliter passierte Tomaten, 1 Esslöffel Tomatenmark, Salz, Pfeffer, ein Teelöffel Rohrzucker, Spritzer Zitronensaft und wenig Butter zum Abschmecken, etwas Rapsöl zum Anbraten Laugenknödel: 400 Gramm Laugenbrot, möglichst 1-2 Tage alt (gewürfelt), 5 Eier, 300 Milliliter Milch, 1 Zwiebel, 50 Gramm Butter, Salz, Pfeffer, Muskatnuss, Petersilie, 2 Esslöffel Maisstärke, evtl. etwas Mehl Getränk: Rotwein der Rebsorte „Lagrein“ aus dem Raum Bozen Musiktipp: Transatlantic Sessions, eine Reihe von Musikproduktionen der Pelicula Films Ltd, die von BBC Scotland, BBC Four und RTÉ of Ireland finanziert und produziert werden.

Post Author: Dan

One Reply to “Lagrein-Rindfleisch mit Laugenknödeln”

  1. Hallo Dan – Gratulation zum 20er !
    Da kommen ja ganz ungeahnte Geschichten – Kochwettbewerbe, weltbekannte Gastronomiekritiker und Buchautoren,… Rezepte werden immer noch leckerer – aber auch aufwändiger.
    Also Hobbygriller steig ich langsam aus 🙂

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